Pizzaballa an CCEE: „Bittet eure Regierungen um Lösungen“
Mario Galgano – Vatikanstadt
An die Teilnehmer richtete Pizzaballa folgende Bitte: „Setzen Sie sich bei Ihren Regierungen dafür ein, dass sie die Situation im Auge behalten und diesen beiden Bevölkerungsgruppen helfen, mögliche Auswege zu finden, denn ich bezweifle, dass sie es allein schaffen werden.“ Es sei auch wichtig, dass Bischöfe und Gläubige als Mitglieder der Kirche „versuchen, eine Sprache zu verwenden, die nicht ausschließend ist“, die also für niemanden Partei ergreift und der Logik erliegt, dass „mit dem einen zu sein bedeutet, gegen den anderen zu sein“. Er fügte an:
„Vor allem dürfen wir als Christen nicht in die Falle gegensätzlicher Narrative tappen, sondern müssen versuchen, die Dinge wahrheitsgemäß zu sagen, die Geschehnisse vom 7. Oktober zu verurteilen, aber auch ein Sprachrohr für den Schmerz der vielen palästinensischen Opfer zu sein und eine integrative Sprache zu finden. Es ist nicht einfach in dieser Zeit, aber wir müssen versuchen, die Wahrheit so weit wie möglich zu bewahren, aber auch die Freundschaft.“
Lageerörterung
Pizzaballa informierte die europäischen Bischöfe über die Lage der christlichen Bevölkerung. In Gaza. So seien etwa tausend Christen in zwei Komplexen versammelt. Etwa 700 seien Flüchtlinge in dem lateinisch-katholischen Kirchenkomplex und etwa 200 in der nahe gelegenen orthodoxen Kirche. „Sie befinden sich im nördlichen Teil des Gazastreifens, der nach Ansicht des Militärs evakuiert werden sollte. Aber unsere Christen wollen nicht gehen, weil sie nicht wissen, wohin sie gehen sollen“, so Pizzaballa. Die Hälfte der Gebäude sei zerstört - und das sei auch die gesamte Infrastruktur. Es gebe weder Wasser „noch irgendeine Form der Versorgung“.
Der Kardinal berichtet, dass es dem Patriarchat gelungen sei, über humanitäre Organisationen - den katholischen Hilfsdienst CRS und andere Organisationen - das Nötigste zu besorgen: Lebensmittel und Wasser, was das Hauptproblem darstelle, da die Straßen zerstört seien und der Transport mit den Streitkräften koordiniert werden müsse. „Wie Sie wissen“, fuhr der Kardinal fort, „gibt es derzeit einen Waffenstillstand, von dem wir hoffen, dass er verlängert werden kann“. Trotz dieser Situation, so Pizzaballa, trotz der Schwierigkeiten, der Spannungen und Hindernisse aller Art, „geht es der christlichen Gemeinschaft den Umständen entsprechend gut“.
Die Zukunft
Die Prognosen über die Zukunft des Gazastreifens nach diesem Krieg seien sehr beunruhigend. „Wir wissen nicht, was nach diesem Krieg noch übrig sein wird. Fast alle Häuser unserer christlichen Familien sind zerstört worden“, so Pizzaballa. Aber auch in den Gebieten des Westjordanlandes sei die Lage schwierig. Die Arbeitserlaubnisse der Palästinenser in Israel wurden annulliert, mit Ausnahme von Stellen im Gesundheitswesen, in Krankenhäusern und Schulen. Damit seien die beiden wichtigsten Ressourcen verschwunden: die Arbeit in Israel und die Betreuung von Pilgerfahrten. „Es handelt sich also um eine sehr schwierige soziale Situation, eine beunruhigende Armut“, fuhr Pizzaballa fort. Besorgniserregend seien aber auch „die emotionalen Auswirkungen, die dieser Krieg auf die israelische und palästinensische Bevölkerung hat“. „Sie sind enorm“, so der Kardinal. „Es gibt einen tiefen Hass und starke Ressentiments auf beiden Seiten.“ In Krankenhäusern, in denen es Juden und Araber gibt, wollen Juden nicht mehr von arabischen Ärzten und Krankenschwestern behandelt werden und umgekehrt. Die Formen des Zusammenlebens, die es früher gab, seien heute verschwunden, „und die Medien heizen diese Gefühle nur noch an, indem sie die einen gegen die anderen ausspielen“. Daran müsse also gearbeitet werden, und das werde ein langer Weg sein. Der Krieg sei plötzlich ausgebrochen. Jetzt - und das ist der Appell des Kardinals von Jerusalem – „müssen wir an einer politischen und sozialen Ausstiegsstrategie arbeiten, und zwar so schnell wie möglich“.
Die Bischöfe Europas begrüßten die Worte des lateinischen Patriarchen von Jerusalem, und die ersten Worte, die Gintaras Grušas, Erzbischof von Vilnius und Präsident des CCEE, in seiner Begrüßung sprach, waren dem Frieden gewidmet. „Heute braucht die Welt mehr denn je Frieden“, sagte er. „Mit Papst Franziskus sagen wir gemeinsam und entschieden Nein zum Krieg, der Krieg ist eine Niederlage für die Menschheit. Wir bekräftigen unsere Verbundenheit mit denjenigen, die unter so vielen Konflikten leiden, insbesondere mit der Ukraine, dem armenischen Volk und den Bewohnern des Heiligen Landes. Wir beten weiterhin für die Opfer und ihre Familien. Lasst uns weiterhin für das Wunder des Friedens beten. „Gewalt kann kein Mittel sein, um eine Sache zu verteidigen“, fügte Erzbischof Grušas hinzu. „Wir erneuern unsere Forderung nach einem endgültigen Waffenstillstand, nach Freilassung der Geiseln und der Offenhaltung der humanitären Korridore nach Gaza“, schloss er.
(sir)
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