Pizzaballa: Waffenruhe bitter nötig - Lage täglich dramatischer
Federico Piana und Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt
Kardinal Pizzaballa erinnert im Gespräch mit Radio Vatikan daran, dass die Vertreter der Kirchen in Jerusalem bereits seit dem Terrorattentat der Hamas auf Israel im Oktober 2023 und dem folgenden Krieg für Frieden werben:
„Es ist nicht das erste Mal, dass wir eine Feuerpause fordern und eine Pause aller Kampfhandlungen in Gaza. Seit Oktober machen wir das ständig und ununterbrochen, so wie andere religiöse Autoritäten und an erster Stelle auch der Heilige Vater. Wir sind in ständigem Kontakt mit den Leuten in Gaza und wissen, wie die Lage dort ist - die Situation im Alltag wird jeden Tag dramatischer, auch unabhängig von der ganzen Gewalt. Man muss diese blinde Gewalt überwinden, die alle blendet, es ist Zeit, ein neues Kapitel zu öffnen und an Lösungen des Konflikts zu denken, die nichts mit Gewalt, Bomben oder Ähnlichem zu tun haben", so der eindringliche Appell des Lateinische Patriarchs von Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa.
Aufruf zu einem Ende der Gewalt
Pizzaballa und weitere Patriarchen und Oberhäupter der christlichen Kirchen in Jerusalem hatten auch nach der Katastrophe rund um einen Hilfskonvoi im Gazastreifen bereits eindringlich zu einem Ende der Gewalt aufgerufen und in einer Erklärung vom Freitag einen „langen und sofortigen Waffenstillstand“ gefordert.
Nach dem Vorfall, dessen genaue Umstände noch unklar sind, haben sich die Chancen auf einen Waffenstillstand, über den zuvor verhandelt wurde, eigentlich verschlechtert. Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig. Am Sonntag waren Delegationen der Hamas und der Vermittlerstaaten USA und Katar in Kairo zu einer weiteren Gesprächsrunde eingetroffen. Israel dagegen hat vorerst keine Delegation entsandt.
Hoffnung auf eine Waffenruhe
Patriarch Pizzaballa hat dennoch Hoffnung:
„Die nötigen Elemente für eine mögliche Waffenruhe gibt es - und es gab sie immer. Man muss nur wollen. Es braucht auf allen Seiten den Willen, Kompromisse zu finden. Es ist klar, dass auf beiden Seiten Kompromisse geschlossen werden müssen, und ich habe den Eindruck, dass dies im Moment in greifbare Nähe rückt, zum einen, weil auch der Fastenmonat-Ramadan naht, der für die Beziehungen untereinander immer ein sehr heikler Monat ist, und zum anderen, weil nach fünf Monaten auf allen Seiten eine offensichtliche Ermüdung der Situation zu spüren ist. Es gibt den Wunsch, etwas zu tun, um diesem Konflikt eine andere Richtung zu geben. Ich denke, die Zeit ist reif, andere Wege einzuschlagen."
Lage in Gaza immer dramatischer
Für die Menschen im Gazastreifen sei die Lage wirklich dramatisch, und jeden Tag werde es schlimmer. Der Kontakt zu den Christen vor Ort sei eng und ihre Berichte von dort besorgniserregend: Es gebe kaum zu essen und auch die medizinische Versorgung sei schlecht, berichtet der Kardinal:
„Unsere Christen im Gaza-Streifen können maximal ein oder zwei mal pro Woche etwas kochen, weil es kaum Essen und kaum Gas gibt. Und was sie kochen, muss für die ganze Woche reichen, das zeigt, welches Niveau wir erreicht haben. Auch das Wasser ist knapp und oft schmutzig. Das gilt auch für den Bereich der Krankheiten: Die Situation wird immer prekärer, es fehlt an Medikamenten, es fehlt an allem, und es ist eine dramatische Situation. Ich denke, jeder hat erkannt, dass es so nicht weitergehen kann. Ich habe gesehen, dass sie begonnen haben, Fallschirme mit Lebensmittelpaketen zu starten, aber ich denke dass andere, koordiniertere und systematischere Lösungen gefunden werden müssen, denn auf diese Weise, ohne jegliche Kontrolle über das Gebiet, wird es einfach weiter Chaos über Chaos geben."
Es braucht eine dauerhafte Lösung
Die Menschen vor Ort hielten zusammen und beteten, sie vertrauten auf Gott und versuchten, nicht nur sich selbst zu unterstützen, sondern auch der benachbarten Bevölkerung zu helfen. Dies mache ihm auch selbst viel Hoffnung, berichtet Pizzaballa. So lange es noch Nächstenliebe gebe, sei nicht alles verloren. Die Kirche könne vielleicht auch helfen, auf den verschiedenen Seiten zum Verständnis füreinander beizutragen. Eine schnelle Lösung des Konflikts sieht der Kardinal allerdings nicht.
„Ich bin aber sicher, dass nach dieser Krise, die die schwerste seit den letzten 70 bis 80 Jahren ist, niemand mehr bereit sein wird für ,vorübergehende Lösungen'. Weder Israelis noch Palästinenser. Diese sehr ernste Krise wird also alle zwingen, stabile langfristige Lösungen für diesen israelisch-palästinensischen Konflikt zu finden, der in all den Jahren schon zu viele Opfer gefordert hat. Ich weiß nicht, ob es eine Zwei-Staaten-Lösung sein wird, oder andere Lösungen, denn technisch gesehen wird auch die Zwei-Staaten-Lösung nicht einfach sein, auch wenn sie mir objektiv als die einzig mögliche erscheint. Aber es ist klar, dass sie Lösungen finden müssen, die Stabilität, Freiheit und Würde für Israelis und Palästinenser garantieren."
(vatican news/diverse - sst)
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