Missbrauchskonferenz in Rom: Vorbild im Schutz Behinderter sein
Es gebe eine Kluft zwischen dem Schutz vor Missbrauch und der Betreuung von Menschen mit Behinderung, so der Jesuit am Rande der Konferenz gegenüber CNS. „Deshalb sind wir hier, um von Menschen mit Behinderungen zu lernen, was ihre besonderen Bedürfnisse sind und was die Kirche als einer der Hauptakteure im Gesundheitssystem weltweit bei der Umsetzung und Inkulturation dieser verschiedenen Modelle, die wir haben, tun kann“, erläuterte er das Anliegen der Konferenz, bei der auch Kardinalstaatssekretär Parolin am Dienstag ein Grußwort gesprochen hatte.
Geeignete Meldewege und echte Inklusion
Besonderen Verbesserungsbedarf sieht der Leiter des Safeguarding-Instituts (IADC) der Päpstlichen Universität Gregoriana bei den Meldewegen von Missbrauch durch behinderte Menschen selbst, ebenso bei der Inklusion im Allgemeinen. In westlichen Ländern gebe es „auf dem Papier“ zwar Wege, Missbrauch zu melden. „Aber de facto funktioniert das zu selten, weil diese Meldewege oft aus der Perspektive von Menschen ohne Behinderung gedacht, beziehungsweise daran angepasst sind“, so Zollner im Interview mit KNA. Es brauche noch viel mehr Instrumente und Möglichkeiten, damit Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen Missbrauch selbst melden könnten, so Zollner.
Fakt sei, dass Menschen mit Behinderungen einem höheren Risiko ausgesetzt sind, sexuell, körperlich oder psychisch missbraucht zu werden. Wenn die Meldung des Missbrauchs für sie einfacher wäre, würden sie sogar die „Mehrheit der Betroffenen“ darstellen, zeigte sich die britische Psychiaterin Sheila Hollins, ehemaliges Gründungsmitglied der Päpstlichen Kinderschutzkommission und Autorin bei der Konferenz in Rom überzeugt. Auch Vorurteile gegenüber behinderten Menschen setzten diese Menschen dem Risiko des Missbrauchs aus, etwa die Auffassung, dass niemand eine behinderte Person aufgrund ihrer Beeinträchtigung missbrauchen würde.
Kirche könnte als Vorbild wirken
Die Kirche sei „ein großer Player auf dem Feld des Safeguarding für Menschen mit Behinderungen“, so Pater Hans Zollner: „Was immer sie für diese Menschen und ihre Sicherheit tut, hat eine Vorbildfunktion beziehungsweise die Möglichkeit, auf den gesamten Sektor einzuwirken, auch auf all jene anderen nicht-kirchlichen oder nicht-christlichen Institutionen“, gab er zu bedenken.
Viele Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft kümmern sich weltweit um Menschen mit Behinderungen, auch in Weltgegenden, wo staatliche Einrichten ansonsten eher wenig oder gar nicht in Inklusion investieren. Doch auch im kirchlichen Bereich gibt es Verbesserungsbedarf. So werde auch hier die strukturelle Ausgrenzung behinderter Menschen teils aufrechterhalten, wenn diese als „anders“ betrachtet würden als nichtbehinderte Kirchenbesucher, erinnerte Sheila Hollins. Sie schlug vor, angehende Priester stärker mit Menschen mit Behinderung zusammenzubringen, um deren Sensibilität für Menschen mit Einschränkungen zu erweitern.
Missbrauch und Mythen
Mehr Bewusstsein im kirchlichen Bereich für die besonderen Lebensumstände von Behinderten gebe es dort, wo es zu Skandalen gekommen sei, ergänzt Zollner, der im Interview mit KNA auf kirchliche Missbrauchsfälle im Zusammenhang mit Behinderten verwies. Laureen Lynch-Ryan, Koordinatorin der Gehörlosenseelsorge in der Erzdiözese Washington, merkte gegenüber CNS an, dass es speziell in der Gehörlosengemeinschaft nur sehr wenige Untersuchungen über Missbrauch und die Kirche gebe. Die Amerikanerin, die ihren Vortrag auf der Konferenz in Gebärdensprache hielt, betonte, dass behinderte und gehörlose Menschen direkt in die Entwicklung von Schutzmaßnahmen einbezogen werden müssten.
In manchen Teilen der Welt gelte eine Behinderung noch immer als eine „Strafe Gottes“, wurde bei der Konferenz weiter deutlich. Einen solchen Mythos gebe es etwa in Peru, berichtete die peruanische Psychologin und Uniprofessorin Dafne Aida Zapata Pratto. Diese Einstellung zu bekämpfen, sei „eine wichtige Herausforderung für die Kirche", so Zapata bei der Konferenz an der Gregoriana in Rom. Bis heute sei in manchen Gegenden eine Behinderung „ein schamprovozierendes Zeichen, negativ behaftet oder wird als eine Strafe Gottes angesehen“, kommentierte Zollner gegenüber der KNA. Zudem schrecke man auch vor den Kosten zurück, „nicht nur eine Treppe, sondern auch eine Rampe zu bauen oder Gebärdendolmetscher ausbilden zu lassen und diese dann auch einzusetzen“.
(vatican news/cns/kna – pr)
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