Logo der Papstreise nach Osttimor, der dritten Etappe der Vierländerreise Logo der Papstreise nach Osttimor, der dritten Etappe der Vierländerreise  

Osttimor: „Für den Papst wie ein Nachhause-Kommen“

Bald ist es soweit: Papst Franziskus reist in vier Länder Südostasiens, darunter auch Osttimor. In den Nachrichten und auf der Landkarte internationaler Beziehungen scheint das Land fast unsichtbar. Und doch birgt der südlich von Indonesien gelegene Inselstaat, den Franziskus im September im Rahmen seiner Vierländerreise besucht (9.-11. September), einen „wahnsinnigen Schatz“. Das asiatische Land ist fast vollständig katholisch und eng mit Rom verbunden.

Anne Preckel - Vatikanstadt 

Für den Papst wird die dritte Etappe seiner Asienreise wie ein „Nachhause-Kommen“ sein, ist Julia Ratzmann überzeugt. „Osttimor hat nichts, was wir haben wollten oder was wir benötigen könnten“, sagt die Leiterin der Pazifik-Informationsstelle über den nördlich von Australien gelegenen Inselstaat, der zu den ärmsten Ländern Asiens zählt. „Aber es hat eben einen wahnsinnigen Schatz, nämlich diese engagierte Bevölkerung, die sich bemüht, mit den Lebensbedingungen in dem Land fertig zu werden und dies gut schafft und auch lebt auf Grundlage ihres Glaubens.“ Osttimor ist heute mit über 97 Prozent fast vollständig katholisch, zwei Prozent der Bevölkerung sind protestantisch.

Osttimors christliche Wurzeln reichen in die portugiesische Kolonialzeit zurück. Ab 1510 kamen erste Ordensleute aus Portugal nach Osttimor; auch das benachbarte Westtimor, das 1613 von den Niederländern besetzt wurde und heute eine indonesische Provinz ist, ist mehrheitlich katholisch. „Die Portugiesen haben die katholische Religion mit nach Osttimor gebracht“, so Ratzmann, „und zunächst gab es in der jetzigen Hauptstadt Dili und rund um diese Hauptstadt jede Menge Katholiken, aber noch nicht so sehr in der Fläche. Das hat sich dann erst geändert, als immer mehr katholische Handelsorganisationen auch nach Osttimor gekommen sind und in der Fläche gearbeitet haben.“

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Kirche als Zufluchtsort und Sprachrohr

Der katholische Glaube in Osttimor ist durch die bewegte politische Geschichte des Inselstaates geprägt, die durch jahrzehntelange Fremdherrschaft gekennzeichnet ist. Als die ehemalige portugiesische Kolonie Osttimor im Jahr 1975 gerade in die Unabhängigkeit entlassen werden sollte, annektierte sie der militärische mächtige Nachbar Indonesien. „Und ab dann, so würde ich es kennzeichnen, begann eigentlich die Hochzeit des Katholizismus in Osttimor“, erläutert Ratzmann. „Die Menschen haben sich bedroht gefühlt durch die indonesischen Invasoren. Das sind ja Muslime gewesen, die ins Land kamen, und die Osttimoresen waren inzwischen alle dem katholischen Glauben beigetreten. Und sie schlossen sich zusammen, machten Front gegen die indonesischen Invasoren und haben überlegt: Wie können wir uns wehren gegen die wirklich schlimmen Menschenrechtsverletzungen, die es gab.“

Die katholische Kirche in Osttimor entwickelte sich in dieser Zeit zum Zufluchtsort und Sprachrohr der Bevölkerung. Während westliche Industrienationen die Vorgänge in Osttimor lange passiv zur Kenntnis nahmen, wurde der Heilige Stuhl auf den verzweifelten Freiheitskampf in Osttimor aufmerksam. „Das hat die katholische Kirche in Rom natürlich wahrgenommen, dass es da Katholiken gab am anderen Ende der Welt, die sich bemüht haben, Menschenrechte durchzusetzen“, formuliert Ratzmann. „Es gab vor allen Dingen immer wieder Bischöfe, die sich ganz explizit gegen die indonesischen Menschenrechtsverletzungen ausgesprochen haben. Das hat zu ganz engen Verbindungen mit Rom geführt.“

Johannes Paul II. war 1989 im besetzten Osttimor

Kirchenvertreter wie Bischof Carlos Filipe Ximenes Belo traten in diesen Jahren in Osttimor für Selbstbestimmung ein und prangerten Menschenrechtsverletzungen an. Bischof Belo habe „sogar bei den Vereinten Nationen in einem offenen Brief darum gebeten, dass Osttimor in die Unabhängigkeit entlassen werden könnte. Und für sein Engagement ist er auch 1996 gemeinsam mit dem Staatspräsidenten José Manuel Ramos-Horta (2006-07 Premier, 2007-2012 Staatspräsident) mit dem Friedensnobelpreis geehrt worden“, so Ratzmann. In die Zeit der indonesischen Besatzung fiel der erste Papstbesuch im Land: Johannes Paul II. war im Oktober 1989 vor Ort.

Nach einem Regimewechsel in Indonesien und einem Unabhängigkeitsreferendum wurde Osttimor 2002 schließlich in die Freiheit entlassen. Der erste Apostolische Nuntius wurde bereits 2003, ein Jahr später, installiert. „In der Rückschau auf diese Geschichte kann man sagen, dass der Katholizismus immer ein Sinnbild für die Bevölkerung war – für das vereinigende Element der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen in Osttimor, gemeinsam Front zu machen gegen die indonesischen Besatzer“, resümiert Ratzmann.

„Die Leute leben ihren Glauben und nehmen das Christentum als etwas Befreiendes wahr, das sie aus den Zwängen von Knechtschaft und Kolonialzeit befreit hat“

Aus dieser Sehnsucht nach Freiheit und nach Gerechtigkeit heraus hat sich die Bevölkerung in Osttimor (1,4 Millionen) verstärkt dem Katholizismus zugewandt, der verschiedene Ethnien umfasst. War in Osttimor am Ende der Kolonialzeit jeder vierte Einwohner katholisch, so ist es heute im Land faste jeder (98 Prozent). Bis heute wird das Christentum in Osttimor in besonderer Weise als „Frohe Botschaft“ gelebt. Dazu die Leiterin der Pazifik-Informationsstelle: „Wenn man heute nach Osttimor reist, ist es tatsächlich so: Die Leute leben ihren Glauben und nehmen das Christentum als etwas Befreiendes wahr, das sie aus den Zwängen von Knechtschaft und Kolonialzeit befreit hat.“

Die Bedeutung der katholischen Kirche als einigendes und aussöhnendes Element würdigte José Ramos-Horta in seiner Antrittsrede als Premierminister im Jahr 2006. Die Verfassung Osttimors garantiert allen Religionen volle Gewissens-, Religions- und Kultusfreiheit und fördert die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen religiösen Bekenntnissen, die „zum Wohlergehen des Volkes von Timor-Leste beitragen“. Alle Formen der Diskriminierung aufgrund der Religionszugehörigkeit sind verboten. Auch im Motto der Papstreise nach Osttimor kommt das Verbindende der katholischen Kirche zum Ausdruck: „Lasst euren Glauben eure Kultur sein“. Im Rahmen seines Besuches will Papst Franziskus am 10. September in der Hauptstadt Dili eine große Messe feiern, zu der bis zu einer halben Million Menschen erwartet werden.

„Lasst euren Glauben eure Kultur sein“

Heute ist Osttimors katholische Kirche ein „ganz starker zivilgesellschaftlicher Partner für die osttimoresische Bevölkerung und wird als solcher positiv wahrgenommen“, so Ratzmann. Im Gesundheits- und Bildungsbereich hat Osttimor zuletzt vergleichsweise große Fortschritte verzeichnet, die politischen Institutionen der jungen Republik funktionieren ordentlich. Die Kirche ist hier eine wichtige Stütze: „Ob Sozialprojekte, die Wohlfahrtspflege oder die Finanzierung von Bildungseinrichtungen oder Krankenhäusern, die katholische Kirche ist jemand, der unterstützt, der hilft, das Leben erleichtert und zu einem guten Leben führt. Und sie wird nicht so sehr als missionarisch wahrgenommen, es sind ja fast alle Christen, sondern eher als jemand, der Hilfe leistet, den Alltag zu bewältigen.“

Osttimor und der Heilige Stuhl pflegen freundschaftliche Beziehungen. Der erste Vatikanbotschafter kam 2003 ins Land, kurz nach der Unabhängigkeit, Osttimor sandte 2007 seinen ersten Botschafter zum Heiligen Stuhl. Die katholische Kirche ist in Osttimor in den drei Bistümern, dem Erzbistum Dili und den Suffraganbistümern Baucau und Maliana organisiert, die insgesamt 62 Pfarreien umfassen. Seit 2015 ist ein Konkordat zwischen Osttimor und dem Vatikan in Kraft, in dem Wirkungsfelder der Kirche definiert sind. Seit 2021 gibt es in Dili eine nach Papst Paul II. benannte katholische Universität.

Julia Ratzmann ist studierte Völkerkundlerin mit Schwerpunkt Ozeanien und leitet die ökumenische Pazifik-Informationsstelle mit Sitz in Deutschland, die unter anderem vom katholischen Hilfswerk missio (München) unterstützt wird. Sie unterhält zahlreiche Kontakte zu kirchlichen und zivilgesellschaftlichen Partnern in der Region, die sie seit Jahrzehnten bereist. Radio Vatikan hat mit ihr anlässlich der Papstreise in die Region über Kirche und Gesellschaft in Singapur, Osttimor und Papua-Neuguinea gesprochen.

(vatican news)
 

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23. August 2024, 12:54