Friedensnobelpreisträger Mimaki: Welt vor Atomwaffen retten
Alessandro Gisotti*
Die Häuser sind zerstört, alles liegt in Staub: Tabula rasa. So ist sogar das Meer zu sehen, dessen Blick zuvor durch die Stadt verstellt war, die da einmal war. Diese unauslöschliche Erinnerung hat sich ins Herz eines dreijährigen Kindes gebrannt, das Zeuge eines schrecklichen Ereignisses wurde, unvorstellbar, und leider doch geschehen. Toshiyuki Mimaki, heute 82, teilt diese Erinnerung von damals, dem 6. August 1945, als die Atombombe Hiroshima zerstörte, seine Stadt, mit der Vatikan-Zeitung „Osservatore Romano". Seitdem denkt er immer an diesen Tag, der die Geschichte der Menschheit verändert hat - und das Leben von zehntausenden Menschen auslöschte. Vor einigen Tagen, am 10. Dezember, erhielt Toshiyuki Mimaki in Oslo den Friedensnobelpreis 2024.
Stiftung kämpft gegen Atomwaffen
Mimaki nahm den Preis als Co-Vorsitzender der Stiftung „Nihon Hidankyo" entgegen, die seit 1956 mutig und ohne Unterlass für Nukleare-Abrüstung kämpft. Die japanische Stiftung vereint die sogenannten „Hibakusha", die Überlebenden des amerikanischen Atomangriffs auf Hiroshima und Nagasaki am Ende des Zweiten Weltkriegs. Das Engagement von „Nihon Hidankyo" fußt auf den Zeitzeugen-Berichten und setzt auf die Kraft der Erzählung. Diese Arbeit hat auch das norwegische Nobelpreis-Komitee gewürdigt, das bei der Preisverleihung bekräftigte: „Wir alle sind aufgerufen, die Mission der Hibakusha zu unterstützen. Ihr moralischer Kompass ist unser Erbe. Jetzt sind wir gefordert. Für die nukleare Abrüstung braucht es ständige öffentliche Appelle."
Toshiyuki Mimakis Bruder hat einen Hirntumor
Der „Osservatore Romano" hat Toshiyuki Mimaki anlässlich des katholischen Weltfriedenstags am 1. Januar interviewt. Im Gespräch betont der Japaner, er sei „Erbe der Verdienste und Mühen meiner Vorgänger”, die die Stiftung „Nihon Hidankyo" ins Leben riefen. Sie waren wie er Überlebende des unvorstellbaren Angriffs im August vor 79 Jahren.
„Als ich drei Jahre alt war" berichtet er uns, „wurden meine Mutter, mein jüngerer Bruder und ich von der Strahlung der Bombe getroffen, als wir nach meinem Vater suchten, der für die Eisenbahn in Hiroshima arbeitete. Sehr viele Menschen starben, und es gingen so viele Gebäude in Flammen auf, dass man plötzlich das Meer sehen konnte. Mein Bruder wird aktuell wegen eines Hirntumors behandelt."
Erinnerung weiter wachhalten
So schwer es auch sein mag, diese Bilder in Erinnerung zu rufen, die traumatisierende Erfahrung mit anderen zu teilen, steht im Zentrum der Mission der Hibakusha: An die Tragödie erinnern, damit so etwas nie wieder geschieht. Es ist eine Aufgabe, die so dringlich ist, wie nie zuvor. In einigen Jahren wird es keine Überlebenden, keine Zeitzeugen der Atombomben-Angriffe mehr geben. Was also tun, um die Erinnerungen der Überlebenden auch kommenden Generationen gegenüber wach zu halten? „Die Stadt Hiroshima hat jemanden eingestellt, der dafür sorgen soll, dass die Zeitzeugenberichte immer weitergegeben werden. Auch junge Leute sollen entsprechend informiert und ausgebildet werden, so dass ein System der Bildung entsteht, bei dem junge Menschen selbst zu Botschaftern dieser Erinnerungen werden."
Papst Franziskus spielt wichtige Rolle
Für Mimaki spielt Papst Franziskus eine wichtige Rolle im Kampf gegen Nuklearwaffen. Der Hiroshima-Überlebende hat das katholische Kirchenoberhaupt auch persönlich getroffen, als Franziskus im November 2019 Hiroshima und Nagasaki besuchte.
„Ich habe Papst Franziskus getroffen, als er hierher gekommen ist. Er hat mir eine Medaille in einer roten Schachtel geschenkt. Ich habe ihn gebeten, dafür zu sorgen, dass Atomwaffen abgeschafft werden. Ich habe ein Foto von jenem Tag", berichtet Mimaki.
Atomare Bedrohung wächst
Im Widerspruch zum Engagement für ein Ende von Atomwaffen steht die Tatsache, dass aktuell so oft wie nie zuvor von einem möglichen Einsatz von Nuklearwaffen zu hören ist, gar von einem Nuklear-Konflikt. Das wirkt absurd aus Sicht all jener, die wie Toshiyuki Mimaki noch persönlich erfahren haben, welchen Horror eine Atombombe mit sich bringt. Die Seelen und Körper all jener, die Opfer des ersten Atombombeneinsatzes gegen Zivilisten wurden, bis heute gezeichnet.
„Wenn Atombomben genutzt würden, wäre das dass Ende der Menschheit", stellt Mimaki ernst fest. „Daher bitte ich die Verantwortlichen all jener Länder, die sie besitzen, sich für ihre Vernichtung einzusetzen."
Der Co-Präsident der Stiftung „Nihon Hidankyo" ist besonders in Sorge mit Blick auf die Lage in Gaza und der Ukraine. „Russlands Präsident Putin hat die Schwelle für den Einsatz von Nuklearwaffen gesenkt, so dass er sie jeder Zeit nutzen könnte", sagt er voll Furcht. „Das ist eine beängstigende Lage. Kommt alle nach Hiroshima und Nagasaki und schaut euch die Friedens-Museen an! Seht, welche Schäden Nuklearwaffen dem Menschen zufügen können."
*Übersetzung aus dem Italienischen: Stefanie Stahlhofen
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