Der stellvertretende Generalvikar des Bistums Münster, Jochen Reidegeld (links), bat die Opfer des sexuellen Missbrauchs durch Kaplan Pottbäcker in Rhede auch im Namen von Münsters Bischof Felix Genn um Verzeihung. Mit im Bild Pfarrer Thorsten Schmölzing von St. Gudula (rechts).  Foto: Bischöfliche Pressestelle Der stellvertretende Generalvikar des Bistums Münster, Jochen Reidegeld (links), bat die Opfer des sexuellen Missbrauchs durch Kaplan Pottbäcker in Rhede auch im Namen von Münsters Bischof Felix Genn um Verzeihung. Mit im Bild Pfarrer Thorsten Schmölzing von St. Gudula (rechts). Foto: Bischöfliche Pressestelle 

Bistum Münster will Missbrauchsfälle transparent aufarbeiten

Es lässt sich nicht darum herumreden: Auch im Bistum Münster haben frühere Verantwortliche beim Umgang mit einem nachweislichen Missbrauchstäter versagt. Das gesteht das Bistum selbst auf einer Informationsveranstaltung ein – und bittet Betroffene um Verzeihung.

Christine Seuss – Vatikanstadt

„Verantwortliche in der Bistumsleitung haben damals auf schwere und für die Betroffenen schlimme Weise versagt.“ Das sagte Jochen Reidegeld, stellvertretender Generalvikar des Bistums Münster, bei einer öffentlichen Zusammenkunft an diesem Dienstagabend in Rhede. Anfang der 1970er Jahre hatte der mittlerweile verstorbene Heinz Pottbäcker in Rhede nachweislich Kinder sexuell missbraucht. Er war von 1970 bis 1973 Kaplan in Rhede. Gemeinsam mit einem unmittelbar Betroffenen wolle man sich nun der Aufarbeitung stellen, hieß es aus dem Bistum Münster.

„Verantwortliche in der Bistumsleitung haben damals auf schwere und für die Betroffenen schlimme Weise versagt“

Der stellvertretende Generalvikar zeigte sich am Rande der Informationsveranstaltung fassungslos über die offensichtlichen Versäumnisse im Fall des Missbrauchstäters: „Die unterlassene Suspendierung in einem Fall wie diesem hat dafür gesorgt, dass Kinder und Jugendliche zu Opfern geworden sind, die es nicht hätten werden müssen. In meiner Vorstellung gibt es kaum etwas Schlimmeres für Betroffene, das zu wissen, aber auch für mich, das in meiner Kirche zu erleben. Das zugleich zusammenzubringen mit meinem Bild von damals Verantwortlichen, die ich als gute Hirten erlebt habe, den Menschen zugewandt und bodenständig – das zusammenzubringen ist nicht leicht.“

Es war der damalige Generalvikar und spätere Bischof von Münster, Reinhard Lettmann, der dem damals bereits wegen früherer Missbrauchstaten gerichtlich verurteilten Pottbäcker die Versetzung nach Rhede mitgeteilt habe. „Es gab Entscheidungen, vor denen man aus heutiger Sicht einfach fassungslos steht“, ließ Reidegeld bei der Veranstaltung keinen Zweifel an seiner eigenen Ohnmacht.

Die Archive durch unabhängige Dritte sichten lassen

Er bat auch im Namen des aktuellen Bischofs von Münster, Felix Genn, um Verzeihung, auch wenn ihm bewusst sei, dass „Vergebung fast unmöglich ist“, erklärte Reidegeld weiter: „Unsere Aufgabe ist es jetzt nicht nur mehr, die Personalakten zu sichten, die wir im Rahmen der Missbrauchsstudie gesichtet haben, sondern wirklich auch die Archive des Bistums zu öffnen und die Akten nicht selbst, sondern durch Dritte sichten zu lassen, um durch eine unabhängige Kommission die Verantwortlichkeiten im Bistum zu klären.“

Hermann Kahler, ehemaliges Mitglied der Missbrauchskommission des Bistums Münster und Kirchenjurist, erläuterte den aktuellen Informationsstand zu dem Fall. Zwar sei über die Zeit Pottbäckers in Rhede anhand der Personalakten nichts zu erfahren, so Kahler. Es fänden sich allerdings Hinweise auf therapeutische Maßnahmen, denen sich der Kaplan unterzog. Therapeutische Maßnahmen und das Verlassen seiner damaligen Pfarrei „Zur Heiligen Familie“ deuteten auf Vorkommnisse in Rhede hin. Aktuell hätten sich drei weitere Opfer gemeldet, die in Rhede missbraucht worden seien. 

Immer wieder gegen Auflagen verstoßen

Auch in den Folgejahren kam es zu weiteren kommentarlosen Versetzungen des Geistlichen, die allerdings Bände sprechen. Als Pfarrer in Recklinghausen wurde er wegen Missbrauchs im Jahr 1983 erneut gerichtlich verurteilt, erst danach war er nicht mehr pfarrseelsorglich tätig, doch auch in den Folgestellen habe er gegen Auflagen verstoßen.

„Dass Pottbäcker immer wieder in die Gefahr geführt wurde, dass er Missbrauchstäter werden konnte, dass neuer Missbrauch geschah, das ist das Fatale, und das ist auch das, was die damaligen Verantwortlichen sich zurechnen lassen müssen,“ zeigte sich Kahler betroffen.

Ein System der Vertuschung

In einer persönlichen Erklärung, die bei dem Informationsabend verlesen wurde, betonte Münsters Bischof Genn, dass es sich bei den begangenen Taten um ein „widerwärtiges Verbrechen“ handelte. Dieses sei nur dank eines „Systems der Vertuschung“ und der Missachtung des Leids der Opfer möglich geworden. Das Interesse der Institution Kirche habe hier im Vordergrund gestanden. „Soweit das überhaupt noch möglich ist, werden wir, schon weil wir das jedem einzelnen Opfer schuldig sind, für eine Aufarbeitung dieser Vergangenheit sorgen,“ so Genn in seiner Erklärung wörtlich. Er wolle alles ihm Mögliche unternehmen, um derartige Verbrechen heute und in Zukunft“ zu verhindern. „Daran will ich mich messen lassen.“

Im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der aktuell bekannt gewordenen Fälle, die alte Wunden wieder aufreißen könnte, solle in den kommenden Tagen eine Anlaufstelle für Betroffene eingerichtet werden, hieß es von Seiten des Bistums. Ausdrücklich dankten die Verantwortlichen dem Missbrauchsüberlebenden, der gemeinsam mit ihnen die schmerzvolle Aufarbeitung im Interesse anderer ehemaliger Betroffener, aber auch der kommenden Generationen, angestoßen hatte.

(pm)

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28. November 2018, 13:03