D: Caritas fordert mehr Unterstützung für Pflegedienste
Der Deutsche Caritasverband (DCV) ist der größte Wohlfahrtsverband Europas. Die Dachorganisation katholischer Sozialeinrichtungen setzt sich im In- und Ausland für Menschen in Not ein. Mit rund 660.000 hauptamtlichen Mitarbeitern, davon rund 80 Prozent Frauen, ist die Caritas auch der größte private Arbeitgeber in Deutschland. Außerdem sind mehrere Hunderttausend ehrenamtlich im Verband tätig.
DOMRADIO.DE: Wie macht sich die wirtschaftliche Not der Pflegedienste und auch der Pflegeheime bei Ihnen bemerkbar?
Matthias Wittland (Geschäftsführer des Caritasverbandes Ahaus-Vreden): Man muss vorausschicken, dass die Pflegedienste und auch die stationären Einrichtungen nicht frei in ihrer Preisgestaltung sind. Die Preise müssen jeweils mit den Kostenträgern ausverhandelt werden. Da gibt es klare Spielregeln.
Die Refinanzierungen sind nicht dazu geeignet, um Überschüsse oder Gewinne zu machen. Zum Beispiel ist es uns nicht möglich, in der freien Wirtschaft auch Risikozuschläge für Situationen mit einzutreiben, wo es dann eng oder schwierig wird.
Das heißt, die Preissteigerungen, die im Moment auf uns zukommen, haben wir aktuell nicht refinanziert, sondern die werden erst in der nächsten Preisrunde, in der nächsten Verhandlungsrunde mit den Kostenträgern eingepreist, aber dann nur prospektiv und nicht rückwirkend.
DOMRADIO.DE: Macht es einen Unterschied bei der finanziellen Lage, ob die Träger konfessioneller Natur sind oder private Träger?
Wittland: Das kann ich so jetzt erst einmal nicht feststellen, weil die Versorgungsverträge und auch die Verhandlungen mit den Kostenträgern identisch sind. Sicherlich hatte im letzten Jahr an der einen oder anderen Stelle auch das Tariftreuegesetz bei einigen privaten Trägern, die nicht tarifgebunden waren, eine Rolle gespielt.
Die privaten Träger geben Preissteigerungen von 10 bis 30 Prozent an. Das sind Informationen, die auch das Bundesministerium für Gesundheit auf seiner Homepage veröffentlicht.
DOMRADIO.DE: Bundesgesundheitsminister Lauterbach hat bereits gefordert, dass mehr in die Pflegeversicherung eingezahlt werden soll. Was halten Sie von diesem Vorschlag?
Wittland: Ich glaube, dass sich der Wert der Pflege in der Gesellschaft einfach auch über die Refinanzierung ausdrücken muss. Sicherlich durch mehr Geld. Auf der anderen Seite haben wir aber vielmehr das Problem des Personalmangels.
Im Nachbarort hat der erste Pflegedienst seine Türen schließen müssen, weil ihnen das Personal ausgegangen ist. Ich glaube, dass Geld allein nicht der Treiber für Menschen ist, in die Pflege zu gehen, sondern wir müssen uns vielmehr auch mit den Rahmenbedingungen in der Pflege beschäftigen.
DOMRADIO.DE: Was kann denn die Politik tun oder was hat sie vielleicht auch schon getan? Wie zufrieden sind Sie da?
Wittland: Unter dem Aspekt der Refinanzierung muss man tatsächlich auch attestieren, dass die Pflegeeinrichtungen gerade während der Corona-Zeiten von der Politik über die Schutzschirme ausreichend und gut unterstützt wurden. Wir hatten hier Szenarien, die ganz übel aussahen, wenn die Unterstützung der Politik nicht gekommen wäre. Und auch aktuell bei den sehr deutlichen Energiekostensteigerungen hat die Politik einen Schutzschirm aufgelegt.
Ich glaube, die Politik muss beginnen, sich nicht nur über Prämien für die Pflege zu unterhalten, sondern die Rahmenbedingungen so zu ändern, dass die Pflege nicht bis ins Letzte durchgetaktet ist, dass die Pflege auch über die Arbeitsbedingungen, über die Arbeitszeiten attraktiver werden kann.
Das kann nicht nur eine Aufgabe für uns als Leistungserbringer sein, sondern da werden wir auch mehr Geld im System benötigen, um flexiblere Modelle und flexiblere Möglichkeiten für die Pflegekräfte zu schaffen.
DOMRADIO.DE: Für mehr Geld ist auch die Diakonie in Deutschland. Sie fordert außerdem einen Steuerzuschuss und auch mehr Einnahmequellen, zum Beispiel auch Beiträge zur Pflegeversicherung bei Kapitalerträgen einzuzahlen. Das würde es auch für die Bürgerinnen und Bürger etwas teurer machen. Was halten Sie von diesem Vorschlag?
Wittland: Wir müssen das Ganze auch mal volkswirtschaftlich betrachten. Was passiert denn im Moment? Die Pflegekräfte, die im Markt nicht mehr zur Verfügung stehen, zwingen praktisch die Familiensysteme dazu, die Versorgung selbst zu übernehmen. Diese Menschen, die sich jetzt zu Hause um ihre alten und pflegebedürftigen Angehörigen kümmern müssen, fehlen aber dann als Arbeitskräfte in anderen Branchen.
Ich glaube, wir müssen schon gucken, dass wir in die Pflege mehr Geld reinbringen, um auch über professionelle Pflegeunterstützung mehr zu bieten. Aber gleichzeitig müssen wir auch gucken, dass wir diese pflegenden Angehörigen pflegefähig halten. Das heißt zum Beispiel Unterstützung über Schulung, Unterstützung über Kuren.
Hier in Nordrhein-Westfalen hat es ein Projekt von Herrn Laumann (Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, Anm. d. Red.) für die Beratung pflegender Angehöriger gegeben. Da waren wir auch mit drin. Das hat einen sehr großen Effekt gehabt.
Wir haben vielen pflegenden Angehörigen, die am Ende waren, Kuren vermitteln können, die dann aus der Kur zurückkamen und tatsächlich auch wieder Schwung und Energie für die nächsten Wochen und Monate hatten.
Das Interview führte Florian Helbig.
(domradio – mg)
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