Viele Haitianer leiden unter Armut Viele Haitianer leiden unter Armut 

Haiti: Bischof fordert internationalen „Marshallplan“

Auf der Karibikinsel, die durch die Gewalt bewaffneter Banden, die Cholera und den Klimawandel in die Knie gezwungen wurde, kämpfen täglich Millionen von Menschen gegen Hunger und Unsicherheit. Der Bischof von Anse-à-Veau-Miragoâne berichtet uns gegenüber über das tägliche Engagement der örtlichen Kirche.

Mario Galgano - Vatikanstadt

In Haiti scheint der Frieden in immer weitere Ferne gerückt zu sein. Während lokale Politiker in den letzten Wochen vergeblich versucht hätten, bei einem Treffen in Jamaika den Dialog zu suchen, nehme die Gewalt in dem karibischen Land kein Ende. Das sagt gegenüber Radio Vatikan der katholische Bischof Pierre-Andre Dumas in Haiti.

Zum Nachhören - was der Bischof sagte

Bewaffnete Banden, die jede Art von Abkommen ablehnen würden, bekämpften sich weiterhin gegenseitig mit Anschlägen und Entführungen. Am Mittwoch sei von Schüssen in der Nähe eines Vertriebenenlagers berichtet worden. Die tiefe Armut, von der vor allem Kinder betroffen seien, nehme dramatisch zu, nachdem das Land mit einer Choleraepidemie konfrontiert sei und kürzlich von Überschwemmungen und neuen Erdbeben heimgesucht wurde, von denen es sich noch immer nicht erholt hat, so Bischof Dumas:

„In diesem schwierigen Kontext bewegt sich die Kirche, die sich dazu entschlossen hat, eine Vermittlerin des Friedens zu sein, und die ihr Möglichstes tut, um die hungernde und leidende Bevölkerung zu unterstützen. Ich bin überzeugt davon, dass wir uns für die Normalisierung des Landes einsetzen müssen, indem wir einen echten 'Marshall-Plan' für eine ganzheitliche menschliche Entwicklung umsetzen. Außerdem ist es notwendig, die Regeln der Justiz und der Rechtsstaatlichkeit zu respektieren. Und die internationale Gemeinschaft sollte sich hier stärker engagieren.“

Fast flächendeckende Unterdrückung

Jüngsten Schätzungen von Unicef zufolge hätten bewaffnete Banden ihr Territorium in Haiti ausgeweitet und kontrollierten nun Gemeinden mit etwa zwei Millionen Menschen, zumeist Frauen und Kinder, die gezwungen seien, inmitten häufiger Hinrichtungen im Schnellverfahren und sexueller Gewalt zu leben. Dies habe zu einer humanitären Krise geführt, die nach Angaben von Unicef mehr als 165.000 Menschen zu Binnenvertriebenen gemacht habe, von denen viele versuchen würden, mit unsicheren Booten zu fliehen, um der täglichen Not zu entkommen. Cindy McCain, die Direktorin des Welternährungsprogramms, erklärte am Mittwoch, dass mindestens fünf Millionen Haitianer täglich um Nahrung kämpfen müssten. „Der Bedarf an humanitärer Hilfe ist heute noch größer als nach dem verheerenden Erdbeben von 2010, aber es stehen weitaus weniger Mittel zur Verfügung“, erklärte Catherine Russell, Exekutivdirektorin von Unicef.

Den Armen helfen

Die haitianische Kirche habe sich in der Botschaft zum 7. Welttag der Armen, der am 19. November stattfindet, wiedererkannt, in der Papst Franziskus alle auffordert, sich persönlich für die Bedürftigsten einzusetzen. Bischof Dumas ist sich bewusst, dass diese Schmerzensschreie auch aus seinem eigenen Volk kommen:

„Wir danken dem Papst, weil diese Botschaft zu einem Leittext für unsere pastorale Arbeit geworden ist, die mehr und mehr in der Lage sein muss, den Armen zu helfen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.“

Hintergrund

Bischof Pierre-Andre Dumas leitet die Diözese Anse-a-Veau und Miragoane im Südosten Haitis. Die internationale Gemeinschaft müsse sich „stärker engagieren“, wiederholte er. Als Marshallplan wird das wirtschaftliche Wiederaufbauprogramm der USA für die Staaten Europas nach dem Zweiten Weltkrieg bezeichnet. Haiti gilt als ärmstes Land der westlichen Hemisphäre. Es wurde in den vergangenen Jahren zudem von Naturkatastrophen wie Erdbeben und Wirbelstürmen erschüttert; zuletzt kam eine Cholera-Welle hinzu, die Hunderte Tote forderte. Erst in der vergangenen Woche hatte das UN-Kinderhilfswerk Unicef die Zahl der von Hunger bedrohten Minderjährigen in Haiti auf fast drei Millionen Kinder und Jugendliche geschätzt.

Haiti wird seit Monaten von politischer Instabilität und Unruhen erschüttert. Insbesondere in der Hauptstadt Port-au-Prince gibt es immer wieder schwere Kämpfe zwischen rivalisierenden Banden. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass bewaffnete Gangs fast zwei Drittel des Stadtgebietes kontrollieren. Im Juli 2021 wurde Staatspräsident Jovenel Moise von bislang unbekannten Angreifern ermordet.

(vatican news/kap)

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22. Juni 2023, 13:02