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Bischof Timmerevers am Radio-Vatikan-Stand in Erfurt Bischof Timmerevers am Radio-Vatikan-Stand in Erfurt 

Bischof von Dresden: „Wir sind wenige, aber wir sind da“

Der Bischof von Dresden-Meißen, Heinrich Timmerevers, hält den Erfurter Katholikentag für ein wichtiges Signal an die Christen in der früheren DDR. Das sagte er am Freitag im Interview mit Radio Vatikan.

„Die Kirche ist hier so greifbar und präsent“, so Timmerevers. „Das ist einfach eine tolle Erfahrung, und das tut uns, den Christen in den neuen Bundesländern, sehr gut: wahrzunehmen, dass das viele Menschen mit gutem Willen sind…“

Der Bischof, der ursprünglich aus dem Bistum Münster stammt, hat großen Respekt vor dem Standhalten vieler Menschen im Glauben zu DDR-Zeiten. „Das kann ich von meinem Christsein gar nicht sagen. Ich bin damit groß geworden…“

Interview

Herr Bischof, was sind Ihre Eindrücke hier vom Katholikentag in Ihrer Nachbarschaft?

„Erst mal freue ich mich sehr für Erfurt – für die Stadt, auch für das Bistum. Man muss sich deutlich machen: Hier in Erfurt leben 14.000 katholische Christen und sicherlich noch mal ungefähr das Dreifache evangelische Christen, und 80 Prozent der Bevölkerung sind ohne eine konfessionelle Bindung. Dann hier so einen Katholikentag durchzuführen… das kostet ganz viel Anstrengung und ganz viel Kraft. Und dann zu sehen, wie die Stadt jetzt von den Besuchern – katholische Christen und evangelische Christen – einfach, ja, auch besetzt wird… Das zu erleben… Die Kirche ist hier so greifbar und präsent. Das ist einfach eine tolle Erfahrung, und das tut uns, den Christen in der ehemaligen DDR, in den neuen Bundesländern, sehr gut, wahrzunehmen, dass das viele Menschen mit gutem Willen sind, mit all den Fragen, die wir haben… Das ist wirklich etwas, was mich sehr erfreut…“

Hier das ganze Interview zum Nachhören

Eine starke Gemeinschaft von Menschen, die den Glauben durchgetragen haben

Für mich als gebürtigen Westdeutschen hat das etwas Seltsames: ein Katholikentag in der Diaspora. Nicht so richtig viele Leute, nicht so ein Gedränge wie in Münster zum Beispiel. Ist das die Zukunft der Kirche? Eher nur noch so ein höfliches Interesse, schon sehr stark mit Desinteresse gemischt?

„Ja, das ist die westdeutsche Perspektive, die kenne ich auch. Ich komme ja aus dem Bistum Münster, ursprünglich, da ist das ganze Leben über Jahrzehnte und Jahrhunderte, kann man fast sagen, auch von den Kirchen geprägt gewesen. Aber wenn wir jetzt mal hier zurückschauen: Es gab den Nationalsozialismus, der ja religiöse Praxis auszurotten versucht hat; katholische Schulen wurden aufgelöst. Das war schon eine große Bedrängnis. Dann kam die Zeit des Kommunismus. Da wollte man die Religion sozusagen in den Privatbereich hineindrängen, und das hat natürlich auch seine Folgen gehabt.

Wenn man dann das starke Zeugnis von Gläubigen hört… Mir steht eine Dame vor Augen, die mir sehr selbstbewusst gegenüberstand und sagte: ‚Lieber Herr Bischof, ich will Ihnen sagen, wir haben durchgehalten in schwierigen Zeiten!‘ Da muss ich sagen: Das kann ich von meinem Christsein gar nicht sagen. Ich bin damit groß geworden. Alles war katholisch und wir sind da hineingewachsen. Aber hier erlebe ich eine starke Gemeinschaft von Menschen, die den Glauben durchgetragen haben, und das prägt auch hier das Christsein vieler Gläubiger. Von daher guckt man hier nicht so sehr auf die Zahlen; natürlich gibt uns das in einigen anderen Situationen auch zu denken… Die Fläche ist hier die größte Herausforderung. Die Christen müssen natürlich auch zusammenkommen können, um sich gegenseitig zu stärken und sich also auch als Gemeinschaft zu erfahren, aber die Fläche ist ausgedünnt, weil es nach wie vor einen starken Bevölkerungsrückgang gibt. Aber dennoch: Wir sind klein, wir sind wenige, aber wir sind da!“

Trotzdem immer wieder den Dialog suchen

Es wird viel über die AfD gesprochen hier auf dem Katholikentag. War es richtig aus Ihrer Sicht, zu sagen: Wir geben denen kein Podium? Und wie erleben Sie die Situation als Bischof von Dresden - droht aus Ihrer Sicht in Anführungszeichen eine ‚Übernahme‘ katholischer Pfarrgemeinderäte und ähnlicher Gremien durch AfD-Engagierte? Oder kann umgekehrt die kleine katholische Herde auch in die Gesellschaft hineinwirken und sagen: ‚Stopp‘?

„Also, Übernahme – das glaube ich nicht, das wird nicht gehen. Aber ich merke, wie an verschiedenen Stellen die extremistischen Positionen Gemeinden spalten: ein Streit untereinander über bestimmte politische Positionen. Diese Spaltung ist einfach greifbar, und das macht mir mehr Sorge. Ich bin auch der Meinung, dass die Personen, die extremistische Positionen vertreten – in puncto Fremdenhass, alles, was den Antisemitismus befördert, was die Menschenwürde in Frage stellt –, keinen Platz haben dürfen in unseren Gremien. Natürlich muss man viel reden und diskutieren, aber das sind so zentrale Fragen für unser Menschsein, für eine Gesellschaft, aber auch für unser Christsein… Ich glaube, da braucht es Klarheit in den Kirchen und auch in unserem Bistum. Aber wir müssen trotzdem immer wieder den Dialog suchen, das Gespräch suchen. Wir können nicht einfach nur Mauern errichten, sondern man muss miteinander reden und Lösungen suchen und möglicherweise auch jemand bewegen können, mal neu über seine Position nachzudenken.

Das ist ein Punkt. Und das andere ist für mich: Ich sehe, wir müssen auch diejenigen, die heute nicht zur Wahl gehen, bewegen und motivieren. Ihre Stimme kann von großer Bedeutung sein. Das ist auch eine Aufgabe, die nicht einfach ist.

(vatican news – stefan v. kempis)
 

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31. Mai 2024, 14:36