Angelus: Die Katechese im Wortlaut
Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!
Das Tagesevangelium legt uns einen schönen Satz vor, den wir immer beim Angelus beten und der uns den Sinn von Weihnachten offenbart: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,14). Genaugenommen sind es Worte die ein Paradoxon enthalten. Sie bringen zwei gegensätzliche Realitäten zusammen: Wort und Fleisch. „Wort“ verweist darauf, dass Jesus das ewige Wort des Vaters ist, unendlich, seit jeher existierend, vor allen geschaffenen Dingen; „Fleisch“ dagegen verweist auf unsere geschaffene Wirklichkeit: zerbrechlich, begrenzt, sterblich. Vor Jesus gab es zwei getrennte Welten: den Himmel und die Erde, das Unendliche und das Endliche, den Geist und die Materie. Und im Prolog des Johannesevangeliums finden wir ein weiteres gegensätzliches Wortpaar: Licht und Finsternis (vgl. V. 5). Jesus ist das Licht Gottes, das in die Finsternis der Welt eingetreten ist. Gott ist Licht: In ihm gibt es keine Undurchsichtigkeit; in uns dagegen gibt es viel Finsternis. Jetzt, mit Jesus, treffen Licht und Finsternis aufeinander: Heiligkeit und Schuld, Gnade und Sünde.
Was will uns das Evangelium mit diesen Polaritäten verkünden? Eine wunderbare Sache: Gottes Art und Weise, zu handeln. Mit unserer Schwachheit konfrontiert, zieht sich der Herr nicht zurück. Er bleibt nicht in seiner ewigen Seligkeit und in seinem unendlichen Licht - er nähert sich, er wird Mensch, er steigt hinab in die Finsternis, er wohnt in Ländern, die ihm fremd sind. Und er tut dies, weil er sich nicht mit der Tatsache abfindet, dass wir uns verirren können, wenn wir uns von ihm entfernen, von der Ewigkeit und vom Licht. Das ist das Werk Gottes: in unsere Mitte zu kommen. Auch wenn wir uns für unwürdig halten, hält ihn das nicht auf. Wenn wir ihn ablehnen, wird er nicht müde, uns zu suchen. Wenn wir nicht bereit und willens sind, ihn zu empfangen, zieht er es vor, trotzdem zu kommen.
Liebe Brüder und Schwestern, oft halten wir uns von Gott fern, weil wir meinen, wir seien seiner aus mancherlei Gründen nicht würdig. Und das ist wahr. Weihnachten aber lädt uns ein, die Dinge aus seiner Sicht zu sehen. Gott will Mensch werden. Wenn dein Herz zu sehr vom Bösen verunreinigt, zu sehr in Unordnung ist, dann verschließe dich nicht, hab keine Angst. Denk an den Stall in Bethlehem. Jesus wurde dort, in dieser Armut, geboren, um dir zu sagen, dass er sich gewiss nicht scheut, dein Herz zu besuchen und in einem einfachen Leben Wohnstatt zu nehmen. Wohnen. Das ist das Verb, das heute im Evangelium verwendet wird: Es drückt eine totale Teilhabe, eine große Vertrautheit aus. Und genau das ist es, was Gott will.
Und was ist mit uns? Wollen wir Platz schaffen für ihn? In Worten ja, aber wie sieht es mit den Taten aus? Vielleicht gibt es Aspekte unseres Lebens, die wir für uns behalten wollen, exklusive innere Orte, in die wir das Evangelium nicht eindringen lassen, wo wir Gott nicht haben wollen. In diesen Weihnachtstagen wird es uns guttun, den Herrn genau dort zu empfangen. Wie? Zum Beispiel, indem wir vor der Krippe innehalten, denn sie zeigt, dass Jesus in unser ganz konkretes, gewöhnliches Leben kommt, in dem nicht immer alles gut läuft und wo es viele Probleme gibt: Hirten, die hart arbeiten müssen, Herodes, der das Leben die Unschuldigen bedroht, große Armut... Aber mitten in all dem ist Gott, der unter uns Wohnstatt nehmen will. Und er wartet darauf, dass wir unsere Situation, unser Leben vor ihn tragen. Sprechen wir also vor der Krippe mit Jesus über unsere konkrete Situation. Laden wir ihn offiziell in unser Leben ein, vor allem in die dunklen Bereiche, in unsere „inneren Ställe“. Und erzählen wir ihm auch furchtlos von den sozialen und kirchlichen Problemen unserer Zeit, denn Gott liebt es, unter uns zu wohnen.
Die Mutter Gottes, in der das Wort Fleisch geworden ist, helfe uns, eine größere Vertrautheit mit dem Herrn zu pflegen.
(vaticannews - skr)
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