Franziskus: „Habe Rücktritt im Fall einer Krankheit eingereicht"
Gudrun Sailer – Vatikanstadt
Auch die Päpste Paul VI. und Pius XII. hätten seines Wissens ähnliche Rücktrittserklärungen für den Krankheitsfall unterzeichnet, so Franziskus. Die seine habe er Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone übergeben, der sie sicherlich seinem Nachfolger Pietro Parolin weitergeleitet habe.
Franziskus äußerte in dem Interview höchsten Respekt für seinen unmittelbaren Vorgänger Benedikt XVI., den ersten Papst der Neuzeit, der auf sein Amt verzichtete. Er besuche den emeritierten Papst „oft“, sagte Franziskus, Benedikt habe „einen guten Sinn für Humor“, sei klar und lebendig und folge dem Gespräch. „Ich bewundere seine Intelligenz. Er ist ein großartiger Mann. Er ist ein Heiliger. Er ist ein Mann mit einem hohen geistigen Niveau.“
Die Frage, ob er für die Zukunft den Status eines emeritierten Papstes festschreiben und klar definieren wolle, verneinte Franziskus. Er habe dieses Thema nicht angefasst und auch nicht daran gedacht, das zu tun: „Es ist wohl so, dass der Heilige Geist kein Interesse daran hat, dass ich mich mit solchen Dingen beschäftige.“ In einem früheren Interview mit dem mexikanischen TV-Sender Televisa hatte Franziskus angedeutet, es empfehle sich für die Zukunft, „die Dinge abzugrenzen“ und genauer zu fassen. Er selbst würde sich im Fall eines Amtsverzichts „emeritierter Bischof von Rom“ nennen, nicht Weiß tragen, „sicher nicht im Vatikan“ und „wahrscheinlich“ im Lateran leben sowie viel Beichte hören, so der Papst gegenüber Televisa.
Traditionsverbundene Gläubige
Die beiden Interviewer von ABC sprachen den Papst auch auf die Bedürfnisse traditionsverbundener Gläubiger an, die sich von Franziskus „in gewisser Weise unverstanden fühlen“. Das Problem sei nicht die Tradition an sich, entgegnete das Kirchenoberhaupt, sondern ein falsches Verständnis derselben. Es sei falsch, „rückwärts zu gehen“ auf der Suche nach Sicherheit. „Die Tradition soll dich nach oben ziehen, sie lässt dich wachsen“, erklärte der Papst. Auch Glaube und Moral entwickelten sich weiter, wenn auch nicht „irgendwie“, sondern im Sinn des heiligen Vinzenz von Lerins als Verdichtung, Erweiterung und Verfeinerung des bisher Geglaubten.
Frauen im Vatikan
Zum Thema Frauen im Vatikan sagte Franziskus, er denke darüber nach, in zwei Jahren, wenn die entsprechende Stelle vakant werde, die erste Frau als Präfektin eines päpstlichen Ministeriums einzusetzen. Bisher habe er noch keine ernannt, „aber es wird sie geben“, versicherte der Papst. Mit der Kurienreform hatte er die Möglichkeit eröffnet, für unterschiedslos jedes der 16 Dikasterien einen Laienpräfekten einzusetzen. Davon ausgenommen seien aber Dikasterien „mit sakramentalem Charakter“, in diesen müsse ein Priester oder Bischof den Vorsitz führen, erklärte der Papst in dem Interview. Allerdings gebe es „eine Diskussion darüber“, ob die Autorität des Präfekten von der Beauftragung durch den Papst oder von der Weihe ausgehe, räumte Franziskus ein. Die Kardinäle Ouellet und Rouco Varela führten darüber „eine schöne Diskussion unter Kardinälen“, die auch viele Theologen beschäftige.
Vatikan-Diplomatie: Retten, was zu retten ist
Ferner wollten die Interviewer vom Papst wissen, warum der Heilige Stuhl so zurückhaltend ist, totalitäre Regime wie das von Daniel Ortega in Nicaragua oder Nicolás Maduro in Venezuela zu kritisieren. „Der Heilige Stuhl versucht immer, die Völker zu retten. Seine Waffe ist der Dialog und die Diplomatie", antwortete Papst Franziskus. Die Vatikan-Diplomatie würde auch niemals selbst beschließen, aus einem bestimmten Land abzuziehen, höchstens werde sie „hinausgeworfen“, so der Papst unter Anspielung auf Nicaragua, das im März den Nuntius – den Botschafter des Heiligen Stuhles - des Landes verwiesen hatte. Das Interesse sei immer, „die diplomatischen Beziehungen zu retten“ und überhaupt alles zu retten, „was mit Geduld und Dialog zu retten ist", erklärte Franziskus.
Missbrauch: „Jeder Fall ist ungeheuerlich"
Das Thema Missbrauch in der Kirche sei außerordentlich schmerzhaft, so der Papst mit Blick auf seine wiederholten Begegnungen mit Betroffenen. Solche Menschen seien „zerstört worden“ von Priestern, deren Auftrag es im Gegenteil gewesen wäre, sie zu Gott zu führen. Franziskus warnte zugleich davor, an den früheren Umgang mit Missbrauchsfällen heutige Maßstäbe anzulegen. „Die Hermeneutik von früher bestand darin, alles zu verbergen, wie es leider auch heute noch in einigen Bereichen der Gesellschaft geschieht, etwa in Familien und Wohnvierteln“, so der Papst. Wenn die Kirche sich heute „immer mehr der moralischen Fragen bewusst wird, die nicht so bleiben dürfen“, sei das „dem Mut“ von Papst Benedikt zu verdanken. Früher habe die Kirche diese Fälle „zugedeckt, dann hatte sie die Gnade, ihren Blick zu weiten und ,Nein´ zu sagen, bis zu den letzten Konsequenzen.“ Auf die Frage, ob ihn das langsame Vorangehen der kirchlichen Missbrauchsaufarbeitung nicht frustriere, sagte Franziskus, es handle sich „leider um ein sehr großes Übel“, das die Kirche „Stück für Stück“ angehe.
Künftige Papstwahlen
Angesprochen auf die von ihm ernannten Kardinäle aus allen Teilen der Welt trat Franziskus der Einschätzung entgegen, das nächste Konklave könne daran leiden, dass die Papstwähler einander kaum kennen. Zwar könne es „aus menschlicher Sicht" Schwierigkeiten geben, aber „es ist der Heilige Geist, der im Konklave am Werk ist", unterstrich der Papst. Eine Absage erteilte er dem Vorstoß eines in Rom residierenden deutschen Kardinals, der Ende August 2022 in den Sitzungen zur Kurienkonstitution „Praedicate Evangelium“ vorgeschlagen hatte, dass an der Papstwahl „nur Kardinäle teilnehmen, die in Rom leben". Das entspreche nicht der Universalität der Kirche, so der Papst.
Im Reinen mit der deutschen Kirche
Mit der katholischen Kirche in Deutschland wiederum ist Franziskus im Reinen. „Das nimmt mir nicht den Frieden“, sagte er wörtlich. Die deutschen Bischöfe waren im November zu einem spannungsreichen Ad limina-Besuch in Rom gewesen. Franziskus verwies in dem Interview nochmals auf seinen „Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland“ von 2019, den er in den Anfängen des als „Synodaler Weg“ bekannten Reformvorhabens geschrieben hatte. „Es war ein Brief, wie um zu sagen: ,Brüder, denkt nach‘", erklärte der Papst in der kurzen Interviewpassage, die der Kirche in Deutschland galt. Er habe den Brief selbst geschrieben und einen Monat dazu gebraucht.
Opus Dei
Auch auf ein Wort zum Opus Dei ließ sich der Papst ein. Im Juli hatte er in einem Dekret namens „Ad Charisma tuendum“ verfügt, dass die Zuständigkeit für die Personalprälatur innerhalb der Kurie vom Bischofs- auf das Klerusdikasterium übergeht. Damit habe er weder dem Opus Dei „eins auf die Nase gegeben“ noch sei er in der Bewegung „einmarschiert“, wies der Papst zwei entgegengesetzte Interpretationen zurück. Keinesfalls habe er die Angehörigen der Bewegung „bestraft“ mit seinen Verfügungen. „Ich bitte Sie. Ich bin ein großer Freund des Opus Dei, ich liebe die Menschen des Opus Dei sehr und sie arbeiten gut in der Kirche. Das Gute, das sie tun, ist sehr groß".
Die spanische Tageszeitung ABC interviewte den Papst am 13. Dezember 2022 in der Casa Santa Marta. Die Fragen stellten der Direktor der Zeitung, Julián Quirós, und der Vatikankorrespondenten Javier Martínez-Brocal.
(vatican news - gs)
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