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Papst: Habt den Mut, von einer anderen Wirtschaft zu träumen

Vom Zweiten Vatikanischen Konzil bis zum aktuellen Synodenprozess, vom Krieg in der Ukraine bis zu vergessenen Konflikten in der Welt: Franziskus spricht in einem langen Interview, das von den belgischen katholischen Wochenzeitungen „Tertio“ und „Dimanche“ herausgegeben wurde, zahlreiche Themen an. Insbesondere ruft der Papst zu einem neuen Modell der wirtschaftlichen Entwicklung auf, das niemanden zurücklässt.

Mario Galgano und Emmanuel Van Lierde - Vatikanstadt

„Tertio“ hatte schon im November 2016 das Privileg, ein ausführliches Interview mit Franziskus zu führen. Anlass für jenes Gespräch waren zum einen der hundertste Jahrestag des Ersten Weltkriegs und zum anderen die Terroranschläge in Paris im November 2015 und in Brüssel im März 2016. Sechs Jahre später führten der Papst und die Belgier erneut ein Interview, diesmal anlässlich des 10-jährigen Jubiläums seines Pontifikats am 13. März 2023.

Das neue Gespräch wurde bereits am 19. Dezember 2022 aufgezeichnet. An diesem Dienstag nun veröffentlichten „Tertio“ und „Dimanche“ den gesamten Text.

Das Zweite Vatikanische Konzil

Ein roter Faden zum Verständnis seines Pontifikats sei das Zweite Vatikanische Konzil, urteilt Franziskus in dem Interview. „Das Konzil war eines jener Dinge, die Gott in der Geschichte durch heilige Menschen vollbringt“, betonte der Papst. „Die Kirche ist eine Mutter, die sich immer vorwärtsbewegt. Das Konzil hat die Tür zu einer größeren Reife geöffnet, die besser mit den Zeichen der Zeit übereinstimmt.“

Im Oktober letzten Jahres: Messe in St. Peter zum 60. Konzilsjubiläum
Im Oktober letzten Jahres: Messe in St. Peter zum 60. Konzilsjubiläum

Auch das von ihm nach vorne gebrachte Thema Synodalität führte der Papst auf das Konzil zurück -genauer gesagt auf den Konzilspapst Paul VI.; dieser sei beeindruckt gewesen, dass die katholischen Ostkirchen (im Gegensatz zur Kirche des Westens) ihre synodale Dimension bewahrt hatten. „Er kündigte daher die Einrichtung des Sekretariats der Bischofssynode an, um die Synodalität in der Kirche wieder zu fördern“, erklärte Franziskus. 

„Die Entscheidungsfindung in der Kirche klären“

„Bei der letzten Synode zum Thema Amazonas, im Oktober 2019, gab es eine Reifung in diesem Sinne, und jetzt sind wir hier und müssen vorwärts gehen. Das tun wir durch den aktuellen Synodenprozess, und die beiden Synoden zur Synodalität werden uns helfen, die Bedeutung und die Methode der Entscheidungsfindung in der Kirche zu klären.

Krieg ist Wahnsinn

Auch auf den Krieg in der Ukraine geht Franziskus ein: „Der Vatikan hat sich diesen Konflikt vom ersten Tag an zu Herzen genommen. ... Er ist schrecklich, wirklich schrecklich. Diese Menschen leiden, sie leiden unter der Aggression“. Franziskus fügt hinzu: „Ich erinnere mich daran, was mir meine Eltern immer gesagt haben: Krieg ist Wahnsinn. Wir fühlen uns in diesen Krieg sehr involviert, weil er in unserer Nähe stattfindet. Aber seit Jahren gibt es Kriege in der Welt, denen wir keine Aufmerksamkeit schenken.“

„Eine Kirche, die nicht die Eucharistie feiert, ist keine Kirche“

Zur Rolle der Kirche in der Gesellschaft erklärt der Papst, dass Gebet, Anbetung und Gottesdienst nicht bedeuteten, sich in die Sakristei zurückzuziehen. „Eine Kirche, die nicht die Eucharistie feiert, ist keine Kirche. Aber eine Kirche, die sich in der Sakristei versteckt, ist es auch nicht. Sich in der Sakristei niederzulassen, ist kein wahrer Gottesdienst. Die Feier der Eucharistie hat Konsequenzen.“

Franziskus auf einem alternativen Wirtschaftsgipfel in Assisi im September letzten  Jahres
Franziskus auf einem alternativen Wirtschaftsgipfel in Assisi im September letzten Jahres

Ein Papst träumt von einer anderen Wirtschaft

„Diese Wirtschaft tötet“ - mit diesem Satz hatte Franziskus 2013 sein Pontifikat begonnen. Nun erklärt der Argentinier einmal mehr, welches Wirtschaftsmodell ihm vorschwebt.

„Wir müssen den Mut haben, von einer Wirtschaft zu träumen, die nicht rein liberal ist ... Wir müssen mit der Wirtschaft vorsichtig umgehen: Wenn sie sich zu sehr auf die Finanzen konzentriert, auf bloße Zahlen, hinter denen keine realen Einheiten stehen, dann wird die Wirtschaft zerrieben und kann zu einem schweren Verrat führen. Die Wirtschaft muss eine soziale Wirtschaft sein. Johannes Paul II. hat dem Begriff Marktwirtschaft das Wort sozial hinzugefügt, eine soziale Marktwirtschaft. Man muss immer das Soziale im Auge behalten. Im Moment ist die Wirtschaftskrise zweifelsohne ernst, die Krise ist schrecklich. Die meisten Menschen auf der Welt - die Mehrheit - haben nicht genug zu essen, sie haben nicht genug zum Leben. Der Reichtum liegt in den Händen einiger weniger Menschen, die große Unternehmen leiten, die manchmal zur Ausbeutung neigen. Die Wirtschaft muss immer sozial sein und dem Sozialen dienen.“

(vatican news)

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28. Februar 2023, 15:00