Wortlaut: Katechese von Papst Franziskus bei der Generalaudienz
Liebe Brüder und Schwestern, guten Morgen!
In der Reihe unserer Katechesen über Laster und Tugenden kommen wir heute zum letzten Laster: dem Stolz. Die alten Griechen definierten ihn mit einem Wort, das mit „übermäßige Pracht“ übersetzt werden könnte. Tatsächlich ist Stolz Selbsterhöhung, Anmaßung, Eitelkeit. Der Begriff taucht auch in der Reihe von Lastern auf, die Jesus auflistet, um zu erklären, dass das Böse immer aus dem Herzen des Menschen kommt (siehe Markus 7,22). Der stolze Mensch ist jemand, der denkt, er sei viel mehr, als er tatsächlich ist; jemand, der danach strebt, als größer anerkannt zu werden als andere, und der immer möchte, dass seine Verdienste anerkannt werden, und der andere verachtet, weil er sie für minderwertig hält.
Aus dieser ersten Beschreibung erkennen wir, dass das Laster des Stolzes dem Laster der Prahlerei sehr nahe kommt, das wir bereits beim letzten Mal vorgestellt haben. Wenn die Prahlerei auch eine Krankheit des menschlichen Egos ist, ist sie im Vergleich zu der Verwüstung, zu der Stolz fähig ist, immer noch eine Kinderkrankheit. Bei der Analyse der Torheiten des Menschen erkannten die Mönche der Antike eine bestimmte Reihenfolge in der Abfolge der Übel: Sie beginnen bei den gröbsten Sünden, wie der Völlerei, um zu den verstörendsten Monstern zu gelangen. Von allen Lastern ist der Stolz die große Königin. Es ist kein Zufall, dass Dante ihn in der Göttlichen Komödie direkt im ersten Kreis des Fegefeuers platziert: Wer diesem Laster nachgibt, ist weit von Gott entfernt, und die Beseitigung dieses Übels erfordert Zeit und Mühe, mehr als jeder andere Kampf, zu dem der Christ aufgerufen ist.
In Wirklichkeit liegt in diesem Übel die radikale Sünde, der absurde Anspruch, wie Gott zu sein. Die Sünde unserer Ureltern, die im Buch Genesis beschrieben wird, ist in jeder Hinsicht eine Sünde des Stolzes. Der Versucher sagt zu ihnen: „Wenn ihr davon esst, gehen euch die Augen auf, und ihr werdet wie Gott“ (Gen 3,5). Die Autoren der Spiritualität beschreiben sorgfältiger die Auswirkungen des Stolzes auf das Alltagsleben, um zu veranschaulichen, wie er menschliche Beziehungen ruiniert, und um hervorzuheben, wie dieses Übel das Gefühl der Geschwisterlichkeit vergiftet, welche die Menschen stattdessen vereinen sollte.
Hier also die lange Liste von Symptomen, die zeigen, dass eine Person dem Laster des Stolzes erliegt. Es handelt sich um ein Übel mit klarer körperlicher Erscheinung: Der stolze Mensch ist hochmütig, hat einen „harten Hals“, das heißt, er hat einen steifen Nacken, der sich nicht beugen lässt. Er ist ein Mensch, der zu verächtlichen Urteilen neigt: Wegen nichts verhängt er unwiderrufliche Urteile gegen andere, die ihm hoffnungslos unfähig und inkompetent erscheinen. In seiner Arroganz vergisst er, dass Jesus uns in den Evangelien nur sehr wenige moralische Gebote gab, aber in einem davon erwies er sich als unnachgiebig: Urteile niemals. Man merkt, dass man es mit einem stolzen Menschen zu tun hat, wenn er auf eine kleine konstruktive Kritik oder eine völlig harmlose Bemerkung übertrieben reagiert, als hätte jemand seiner Majestät Schaden zugefügt: Er gerät in Rage, schreit, unterbricht Beziehungen mit anderen auf eine nachtragende Art und Weise.
Mit einer Person, die vor Stolz krank ist, kann man wenig tun. Es ist unmöglich, mit ihr zu reden, geschweige denn sie zu korrigieren, weil sie letztlich nicht mehr bei sich selbst ist. Man muss einfach Geduld haben, denn eines Tages wird das Gebäude einstürzen. Ein italienisches Sprichwort besagt: „Der Stolz geht zu Pferd weg und kommt zu Fuß zurück.“ In den Evangelien hat Jesus mit vielen stolzen Menschen zu tun, und er machte sich oft daran, dieses Laster selbst bei Menschen aufzuspüren, die es sehr gut verbargen. Petrus stellt seine unbedingte Loyalität zur Schau: „Selbst, wenn alle dich verlassen würden, würde ich es nicht tun!“ (siehe Mt 26,33). Bald wird auch er die Erfahrung machen, wie die anderen zu sein: ängstlich angesichts des Todes, von dem er nicht gedacht hatte, dass er so nahe sein könnte. Und so wird der zweite Petrus, der sein Kinn nicht mehr hebt, sondern salzige Tränen weint, von Jesus geheilt und endlich in der Lage sein, die Last der Kirche zu tragen. Zuvor legte er eine Anmaßung an den Tag, die man besser nicht zur Schau stellen sollte; jetzt ist er ein treuer Jünger, den der Herr, wie es in einem Gleichnis heißt, „alle seine Besitztümer“ (Lk 12,44) anvertraut.
Die Erlösung erfolgt durch Demut, das wahre Heilmittel gegen jeden Akt des Stolzes. Im Magnificat besingt Maria den Gott, der mit seiner Macht die Stolzen ... zerstreut. Es ist sinnlos, Gott etwas zu stehlen, wie es die Stolzen zu tun glauben, denn letztlich will Er uns alles geben. Aus diesem Grund schreibt der Apostel Jakobus an seine Gemeinde, die durch innere Kämpfe, die ihren Ursprung im Stolz haben, verletzt ist: „Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber schenkt er seine Gnade“ (Jak 4,6).
Deshalb, liebe Brüder und Schwestern, lasst uns diese Fastenzeit nutzen, um gegen unseren Stolz zu kämpfen.
(vatican news - sk)
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