Wortlaut: Papst Franziskus bei seiner Generalaudienz

Hier finden Sie die Ansprache zum Thema Hoffnung, die der Papst an diesem Mittwoch bei seiner Generalaudienz im Vatikan gehalten hat, in einer Arbeitsübersetzung von Radio Vatikan.

Sämtliche Wortmeldungen des Papstes in ihrer amtlichen deutschen Fassung werden auf der Internetseite des Heiligen Stuhls publiziert.

Liebe Brüder und Schwestern!

In der letzten Katechese haben wir begonnen, über die theologischen Tugenden nachzudenken. Es gibt drei davon: Glaube, Hoffnung und Liebe. Letztes Mal haben wir über den Glauben nachgedacht, heute ist die Hoffnung an der Reihe.

Der Katechismus der Katholischen Kirche definiert sie wie folgt: ‚Die Hoffnung ist jene göttliche Tugend, durch die wir uns nach dem Himmelreich und dem ewigen Leben als unserem Glück sehnen, indem wir auf die Verheißungen Christi vertrauen und uns nicht auf unsere Kräfte, sondern auf die Gnadenhilfe des Heiligen Geistes verlassen.‘ (Nr. 1817). Diese Worte bestätigen uns, dass die Hoffnung die Antwort ist, die unserem Herzen angeboten wird, wenn die grundlegende Frage in uns auftaucht: ‚Was wird aus mir werden? Was ist das Ziel der Reise? Was ist mit dem Schicksal der Welt?‘.

„Erst wenn Zukunft als positive Realität gewiss ist, wird auch die Gegenwart lebbar“

Wir alle wissen, dass eine negative Antwort auf diese Fragen Traurigkeit hervorruft. Wenn die Reise des Lebens keinen Sinn hat, wenn am Anfang und am Ende das Nichts steht, dann fragen wir uns, warum wir überhaupt vorwärtsgehen sollen: daher die menschliche Verzweiflung, das Gefühl der Sinnlosigkeit von allem. Und viele mögen rebellieren: ‚Ich habe mich bemüht, tugendhaft zu sein, klug, gerecht, stark, maßvoll. Ich bin auch ein Mann oder eine Frau des Glaubens gewesen.... Was hat mir mein Kampf gebracht, wenn es das dann war?‘. Wenn die Hoffnung fehlt, drohen alle anderen Tugenden zu zerbröckeln und zu Asche zu werden. Wenn es kein verlässliches Morgen, keinen hellen Horizont gäbe, müsste man zu dem Schluss kommen, dass Tugend eine vergebliche Mühe ist. ‚Erst wenn Zukunft als positive Realität gewiss ist, wird auch die Gegenwart lebbar‘, sagte Benedikt XVI. (Enzyklika Spe Salvi, 2).

Der Christ hat die Hoffnung nicht durch eigenes Verdienst. Wenn er an die Zukunft glaubt, dann deshalb, weil Christus gestorben und auferstanden ist und uns seinen Geist geschenkt hat. Erlösung wird uns ‚in der Weise gegeben, dass uns Hoffnung geschenkt wurde, eine verlässliche Hoffnung, von der her wir unsere Gegenwart bewältigen können‘ (ebd., 1). In diesem Sinne sagen wir noch einmal, dass die Hoffnung eine theologische Tugend ist: Sie geht nicht von uns aus, sie ist kein Eigensinn, mit dem wir uns selbst überzeugen wollen, sondern sie ist ein Geschenk, das direkt von Gott kommt.

„Wenn du nicht an die Auferstehung Christi glaubst, dann wird alles leer“

Vielen zweifelnden Christen, die noch nicht ganz zur Hoffnung wiedergeboren waren, stellt der Apostel Paulus die neue Logik der christlichen Erfahrung vor Augen: ‚Wenn aber Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos und ihr seid immer noch in euren Sünden; und auch die in Christus Entschlafenen sind dann verloren. Wenn wir allein für dieses Leben unsere Hoffnung auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen.‘ (1 Kor 15,17-19). Es ist, als wollte man sagen: Wenn du an die Auferstehung Christi glaubst, dann weißt du mit Gewissheit, dass keine Niederlage und kein Tod für immer ist. Wenn du aber nicht an die Auferstehung Christi glaubst, dann wird alles leer, auch die Verkündigung der Apostel.

Die Hoffnung ist eine Tugend, gegen die wir oft sündigen: in unseren trüben Sehnsüchten, in unserer Melancholie, wenn wir denken, dass vergangenes Glück für immer begraben ist. Wir sündigen gegen die Hoffnung, wenn wir über unsere Sünden verzagen und vergessen, dass Gott barmherzig ist und größer als unsere Herzen. Lasst uns das nicht vergessen, Brüder und Schwestern: Gott vergibt alles, Gott vergibt immer. Wir sind diejenigen, die müde werden, um Vergebung zu bitten. Aber lasst uns diese Wahrheit nicht vergessen: Gott vergibt alles, Gott vergibt immer. Wir sündigen gegen die Hoffnung, wenn wir wegen unserer Sünden verzagt sind; wir sündigen gegen die Hoffnung, wenn der Herbst in uns den Frühling auslöscht; wenn Gottes Liebe aufhört, ein ewiges Feuer zu sein, und wir nicht den Mut haben, Entscheidungen zu treffen, die uns ein Leben lang binden.

„Geduldige Menschen sind Wegbereiter des Guten“

Die Welt braucht diese christliche Tugend heute so dringend! Die Welt braucht Hoffnung! Genauso dringend braucht sie Geduld, eine Tugend, die mit der Hoffnung Hand in Hand geht. Geduldige Menschen sind Wegbereiter des Guten. Sie sehnen sich hartnäckig nach Frieden, und obwohl manche es eilig haben und alles und jedes jetzt haben wollen, hat die Geduld die Fähigkeit zu warten. Selbst wenn viele um sie herum der Desillusionierung erlegen sind, ist derjenige, der von der Hoffnung beseelt und geduldig ist, in der Lage, auch die dunkelsten Nächte zu überstehen. Hoffnung und Geduld gehören zusammen.

Die Hoffnung ist die Tugend der Junggebliebenen, und dabei spielt das Alter keine Rolle. Denn es gibt auch alte Menschen mit leuchtenden Augen, die in einer ständigen Spannung auf die Zukunft hin leben. Denken wir an die beiden großen alten Menschen des Evangeliums, Simeon und Hanna: Sie wurden nicht müde zu warten und sahen die letzte Etappe ihres irdischen Weges gesegnet durch die Begegnung mit dem Messias, den sie in Jesus erkannten, als er von seinen Eltern in den Tempel gebracht wurde.

„Was für eine Gnade, wenn es für uns alle so wäre!“

Was für eine Gnade, wenn es für uns alle so wäre! Wenn nach einer langen Pilgerreise, nachdem wir unsere Reisetaschen und unseren Stab aus der Hand gelegt haben, unsere Herzen von einer Freude erfüllt wären, die wir nie zuvor empfunden haben, und auch wir ausrufen könnten: ‚Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, / wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, / das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, / und Herrlichkeit für dein Volk Israel. ‘ (Lk 2,29-32).

Brüder und Schwestern, lasst uns vorwärts gehen und um die Gnade bitten, Hoffnung zu haben, Hoffnung mit Geduld. Freuen wir uns immer auf diese letzte Begegnung; denken wir immer daran, dass der Herr uns nahe ist, dass der Tod niemals, niemals siegen wird! Gehen wir nach vorne und bitten wir den Herrn, uns diese große Tugend der Hoffnung, begleitet von Geduld, zu schenken. Ich danke euch.

(vatican news – sk)
 

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08. Mai 2024, 10:23

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