Jordanien: Wenn die Pilger fehlen
Marion Sendker - Jordanien
Es geschah in Bethanien, auf der anderen Seite des Jordan. So heißt es über die Taufe Jesu im Johannes-Evangelium. Die biblische Stelle befindet sich im heutigen Jordanien, an der Grenze zu Israel. Touristen und Pilger aus der ganzen Welt besuchen den abgelgenen Ort. Mitarbeiter der Taufstätte bringen sie zuerst in einem Minibus durch eine Militärkontrolle, nach ein paar hundert Metern geht es zu Fuß weiter. Es ist die Wildnis von Johannes dem Täufer, jene Gegend, das ist Bethania, dort hat er gelebt. In der Bibel steht es: Er kam aus Jerusalem, floh vor dem König, überquerte den Fluss gen Osten und lebte fortan hier.
Im vergangenen Jahr hatten die Pilgerbetreuer viel zu tun gehabt: Tausende Touristen kamen manchmal pro Tag. 2023 gilt als Rekordjahr: Mehr als 200.000 Menschen besuchten die Taufstelle in Jordanien. Und jetzt? „Es kommen nicht mehr viele, heute habe ich nur zwei Besucher", sagt einer der Guides. „Das liegt am Krieg. Jordanien ist sicher, aber – wir sind hier im Mittleren Osten."
Abschreckung
Der Angriff der palästinensichen Terrorgruppe Hamas vor mehr als einem halben Jahr und der anschließende Krieg im Gazastreifen würden Besucher abschrecken. Laut dem arabischen Kirchenportal Abouna kamen im ersten Quartal dieses Jahres nur etwa 20.000 Menschen, das sind 65 Prozent weniger als im Vorjahr.
Unser Guide will über den Krieg und die Politik dahinter nicht weiter sprechen. Auf dem Weg zur Taufstelle führt er die zwei Besucher in Souvenirbuden. Es gibt Schnitzereien der heiligen Familie aus Olivenholz, Rosenkränze, Kreuze und andere christliche Artikel. Hinter einem der Läden ist ein kleines Museum der griechisch-orthodoxen Kirche. Byzantinische Vasen, die in der Gegend gefunden wurden und alte Messgewänder sind ausgestellt. Dann geht es weiter. Ein überdachter Holzweg führt zum Höhepunkt der Tour: Inmitten von vier Steinblöcken befindet sich eine kleine Wasserstelle.
Wo Jesus seine Kleider ablegte
Genau hier hat Jesus seine Kleidung abgelegt, ist ins Wasser gegangen. Das kommt aus dem Boden. Damals war der Fluss noch hier, er war größer und breiter. Dann wurden Dämme gebaut und seitdem sinkt der Wasserstand. Auf der anderen Seite des Jordan, in Israel, gibt es eine Taufstätte. Es ist nicht ganz klar, welcher Ort historisch „richtig” ist. Die Indizien würden für Jordanien sprechen, sagt der Guide: „Es gibt eine Mosaikkarte vom Heiligen Land, in Madaba. Und da ist Bethanien auf der Ostseite des Jordan. In der Bibel steht es auch: Bethanien, auf der anderen Seite des Jordan."
Bethania bedeutet auf Arabisch: Haus der Mönche. Sie sollen diese Gegend bereits im zweiten Jahrhundert aufgesucht haben. Ab den 1960er Jahren war der Ort aber kaum noch zugänglich, er wurde zum militärischen Sperrgebiet – bis 1994. Dann haben Israel und Jordanien Frieden geschlossen und wir haben diesen Ort von Minen befreit und die Überreste der alten Kirchen gefunden.
Der politische Friede war für die Taufstätte wichtig: Sie wurde zur Station für Pilgerreisen im Heiligen Land. Seit dem Krieg fallen viele dieser Touren aber aus – auch, wenn es in Jordanien sicher ist. Der Touristenguide seufzt und will seine zwei Besucher jetzt zurück führen. Morgen sei ein neuer Tag, dann werde er wieder warten, auf neue Gäste und auf Frieden.
(vatican news)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.