Erneut Lynchmord in Pakistan: „Influencer“-Kampagne soll Rechtsstaatlichkeit fördern
Obwohl er selbst Muslim war, wurde in der Bergstadt Madyan im Distrikt Swat in der pakistanischen Provinz Khyber Pakhtunkhwa ein Mann gelyncht, der angeblich den Koran geschändet haben sollte. Bei dem Mann handelte es sich um einen pakistanischen Staatsbürger, der als Muhammad Ismail identifiziert wurde, aus dem Punjab stammte und zu touristischen Zwecken mit seiner Familie in der nördlichen Provinz unterwegs war. Madyan ist ein Touristenort im Swat-Tal, etwa 250 km von der Provinzhauptstadt Peshawar entfernt.
Öffentliche Hetze
Der Mann, der beschuldigt wurde, während seines Aufenthalts in einem Hotel Blasphemie am Koran begangen zu haben, wurde am Donnerstag, 20. Juni, von Sicherheitskräften aufgegriffen und in die Polizeistation gebracht, um ihn vor möglichen Vergeltungsmaßnahmen zu schützen. Der Schutz war jedoch nicht ausreichend. Angestachelt durch Lautsprecherdurchsagen in Moscheen und Einkaufszentren versammelte sich ein gewalttätiger Mob vor der Polizeiwache und forderte die Auslieferung des Mannes. Als die Polizisten den Forderungen nicht nachkamen, setzte die Menge das Gebäude in Brand und trieb die diensthabenden Beamten in die Flucht.
Nachdem sie in die Polizeistation eingedrungen waren, lynchten und töteten die aufgestachelten Menschen den Verdächtigen und schleppten die Leiche auf einen Platz, wo der bereits verstümmelte Körper dann verbrannt wurde. Der Vorfall ist auf erschreckenden Bildern in den sozialen Medien festgehalten. Erst als weitere Polizeikräfte aus anderen Orten eintrafen, konnte die Ordnung wieder hergestellt werden. Derzeit ist nicht bekannt, ob einer oder mehrere der Angreifer verhaftet wurden.
Bedauern der Politiker
Der Ministerpräsident der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Ali Amin Gangapur, bedauerte den Vorfall und appellierte an die Bevölkerung, friedlich zu bleiben. „Diese Gewalt ist Wahnsinn, sie ist Selbstmord für unsere Gesellschaft“, kommentierte Fawad Chaudhry, Politiker und ehemaliger Informationsminister.
Außergerichtliche Übergriffe gegen Menschen, die der Blasphemie beschuldigt werden, kommen in Pakistan immer wieder vor. Blasphemie gegen den Islam kann in dem Land mit lebenslanger Haft oder der Todesstrafe belangt werden.
Oft persönliche Abrechnung
Organisationen der Zivilgesellschaft und religiöse Führer unterstreichen, dass Blasphemievorwürfe oft ungerechtfertigt sind und für persönliche Abrechnungen ausgenutzt werden. Erst vor wenigen Wochen griff ein Mob in der pakistanischen Provinz Punjab einen Christen, Nazir Masih, an, nachdem er beschuldigt wurde, Seiten des Korans entweiht zu haben. Der Mann starb später im Krankenhaus an seinen Verletzungen, seine Fabrik wurde niedergebrannt.
Im August 2023 kam es nach dem Vorwurf der Koran-Lästerung zu Angriffen auf das christliche Viertel der Stadt Jaranwala, wo der Mob 86 Häuser in Brand setzte und 19 christliche Kirchen und Gotteshäuser verwüstete.
Sensibilisierungs-Kampagne geplant
Der katholische Senator Khalil Tahir Sandhu kommentierte gegenüber Fides: „Wir sind schockiert über eine weitere Episode von Massengewalt. Wir glauben, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen. Wir denken darüber nach, eine Sensibilisierungskampagne gegen Lynchjustiz und Mobgewalt zu organisieren. Wir haben ein Team aus führenden Vertretern der Zivilgesellschaft und der Religionsgemeinschaften gebildet und wollen Regierungsbeamte, Gelehrte und muslimische Religionsführer einbeziehen.“
Bei den Treffen sei man zu einer gemeinsamen Schlussfolgerung gelangt, so Sandhu: „Es besteht ein dringender Bedarf an glaubwürdigen religiösen Führern und ,Influencern‘, die sich an einer Medienkampagne beteiligen, um das Problem der Massengewalt zu bekämpfen und die Bedeutung der Durchsetzung des Gesetzes in allen Situationen zu fördern. Wir wollen Videobotschaften und Rundtischgespräche über Frieden, interreligiöse Harmonie und Toleranz entwickeln, an denen religiöse Führer auf nationaler Ebene teilnehmen.“
Dazu sollen Videobotschaften im nationalen und regionalen Fernsehen, im Radio und in den sozialen Medien ausgestrahlt werden.
(fides - cs)
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