War am Freitag Ehrengast beim G7-Gipfel in Apulien: Papst Franziskus War am Freitag Ehrengast beim G7-Gipfel in Apulien: Papst Franziskus  (Vatican Media)

Experte: Papst hat ethische Dimension von KI ins Zentrum gerückt

Die Teilnahme des Papstes beim G7-Gipfel zum Thema Künstliche Intelligenz zeigt die Anerkennung, die dem Kirchenoberhaupt als „Träger der Weisheit“ gezollt wird. Davon ist P. Paolo Benanti überzeugt. Der Ordensmann gilt als Experte auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz und sitzt auch im AI-Komitee der Vereinten Nationen. Große Innovationen, so der Franziskaner, müssten in der Tat auch „eine ethische Verwaltung“ erfahren, um wirklich nützlich zu sein. Das habe der Papst deutlich gemacht.

Federico Piana und Christine Seuss - Vatikanstadt

Für den franziskanischen Theologen und Philosophen war die Teilnahme des Papstes an dem Gipfel ein „bedeutender Moment“. Im Gespräch mit Radio Vatikan erläutert Benanti:

„Zunächst einmal wurde der Heilige Vater als maßgebliche Stimme angerufen und eingeladen, um über ein so zukunftsweisendes Thema wie künstliche Intelligenz zu sprechen. Und das eröffnet neue Wege, in dem Sinne, dass wir die Weisheit anerkennen, deren Träger der Papst ist.“

Stärkere Präsenz des Glaubens im öffentlichen Diskurs

Diese Neuheit könne, so Benanti, vielleicht auch „eine neue Zeit“ eröffnen, gerade was eine stärkere Präsenz und Gewichtung des Glaubens „im pluralistischen und öffentlichen Raum der westlichen Demokratien“ angehe. Und es gehe um ein Thema, das der Experte ohne Umschweife als „zukunftsweisend“ bezeichnet und welches der Papst schon sehr früh auf dem Radar hatte. Benanti selbst ist nicht nur Berater des Papstes und der italienischen Regierung, sondern auch Mitglied des einflussreichen UN-Komitees zu Artificial Intelligence:

„Was den Inhalt der Ansprache des Papstes betrifft, denke ich, dass es sich um einen sehr ausgewogenen und in gewisser Weise sehr optimistischen Diskurs über die Technologien handelt. Er hat daran erinnert, dass Technologie und Menschheit verbunden sind. Die conditio humana, sagt der Papst an einer Stelle, wird eine conditio tecno-umana, das heißt, wir haben die Welt mit der Technologie verändert, und da sehen wir auch die ganze Größe der Berufung des Menschen durch seinen Schöpfer, an dieser Fähigkeit zur Veränderung teilzuhaben.“

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Große Innovationen brauchen ethische Überwachung

Allerdings, so räumt Benanti ein, seien diese Fähigkeit und Größe nicht immer in den Dienst des Guten gestellt worden. Dies konfrontiere uns mit der Tatsache, „dass die großen Innovationen, die wir machen können“, nicht immer zum Guten der Menschen garantiert seien, wenn es „keine sorgfältige Abwicklung, eine ethische Verwaltung gibt.“

Dass sich mit dem Voranschreiten der Künstlichen Intelligenz in allen Lebensbereichen auch ein völlig neues soziales Gefüge bilden wird – geboren aus komplexen und epochalen Transformationsprozessen – ist für den Franziskaner ein Fakt, den man besser zur Kenntnis nehmen sollte. So werden beispielsweise herkömmliche Arbeitsplätze aussterben, während andere neu dazukommen.

„Aber das ist nur ein weiteres Glied in der Transformationskette, die durch die industrielle Revolution ausgelöst wird, und deren jüngster Ring der Automatisierung die künstliche Intelligenz ist. Was wird also von einer organisierten Gesellschaft, wie wir sie heute kennen, übrigbleiben? Eine organisierte produktive Welt, wie wir sie heute kennen, ist etwas Schönes, aber die Dinge ändern sich bereits. Wir müssen uns also bewusst werden, dass es einen sehr schnellen Wandel gibt, das ist der erste Punkt.“

„Das Ergebnis wird davon abhängen, wie wir diesen Wandel bewältigen wollen“

Auf der anderen Seite werde sich auch das menschliche Wissen durch diesen Transformationsprozess tiefgreifend verändern, sei es doch dank der KI möglich, in Sekundenschnelle auf enorme Datenbanken zurückzugreifen: „Diese beiden Herausforderungen sind kein Schicksal, sondern zwei offene Grenzen, und der Papst hat sich dazu sehr präzise geäußert. Das Ergebnis wird davon abhängen, wie wir diesen Wandel bewältigen wollen“, meint P. Benanti.

Papst beim G7: Menschenwürde im Blick behalten

Eine Tatsache, die man sich dringend bewusst machen sollte – werde doch die Zeit der „technologischen Innovation“, die wir erlebten, von einer „besonderen, noch nie dagewesenen sozialen Situation“ begleitet, hatte Papst Franziskus in seiner Rede auf dem G7-Gipfel analysiert: „Es gibt einen Verlust oder zumindest eine Verfinsterung des Sinns für das Menschliche und eine scheinbare Bedeutungslosigkeit des Konzepts der Menschenwürde. Und so kommt es, dass Programme der künstlichen Intelligenz den Menschen und sein Handeln in Frage stellen“, so der Papst, der in seiner Ansprache die „Schwäche des Ethos“, die sich in der zunehmenden Relativierung der Menschenwürde zeige, als das „größte Risiko bei der Einführung und Entwicklung dieser Systeme“ identifizierte.  

Rome Call for Ethics vereint Mehrheit der Menschen

Es sei seit jeher die Aufgabe und Berufung der Kirche, sich in ethisch relevante Debatten einzubringen, mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg, gibt P. Benanti in diesem Zusammenhang zu bedenken. Dies sei auch mit Blick auf die aufkommende Künstliche Intelligenz und ethische Prinzipien, auf denen vor allem die generative KI basieren müsste, geschehen, erinnert er:

„Im Februar 2020 wurde der Rome Call for Ethics unterzeichnet, den die Päpstliche Akademie für das Leben gefördert hat, mit sechs Grundsätzen, die auch vom Papst zitiert wurden: Und es sind Grundsätze, die vor allem von den großen Technologieunternehmen übernommen wurden.“ Unter den ersten Unterzeichnern, so erinnert P. Benanti, waren Technologieriesen wie Microsoft, IBM und CISCO, ebenso wie Universitäten, die Welternährungsorganisation FAO, Regierungsvertreter und andere. Doch dabei blieb es nicht:

„Haben auch Muslime und Juden unterzeichnet, und diesen Sommer, im Juli, werden sich die orientalischen Religionen in Hiroshima treffen und unterzeichnen“

„Das Interessante ist, dass es sich nicht nur um eine katholische Sache handelt, denn im Jahr 2023 haben auch Muslime und Juden unterzeichnet, und diesen Sommer, im Juli, werden sich die orientalischen Religionen in Hiroshima treffen und es unterzeichnen. Bis dahin wird diese Plattform der ethischen Werte praktisch die meisten Menschen auf dem Planeten versammelt haben, denn die meisten Menschen auf dem Planeten sind durch die Religionen vertreten, die sie unterzeichnet haben. Hier scheint diese globale Anstrengung, diese ethischen Leitplanken zu verbreiten, plötzlich in der Lage zu sein, Grenzen zu überschreiten, Unterschiede zu überwinden“, zeigt sich der Franziskaner überzeugt.

Diese Bewegung nehme mittlerweile deutlich Gestalt an, und neu dabei sei nicht nur das Thema, sondern auch die Haltung, mit der an die Herausforderung herangegangen werde: „Nämlich eine Haltung der Nicht-Spaltung, sondern der Einheit und der Zusammenarbeit für ein Gut, das verstanden und gewünscht wird. Ich denke, wir werden einige interessante Szenarien erleben.“

(vatican news)

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17. Juni 2024, 10:41