Papst: Keine Angst vor dem Gesetz, sondern Hoffnung auf die Liebe Jesu

„Die Gebote sind da, aber sie rechtfertigen uns nicht. Was uns rechtfertigt, ist Jesus Christus“, stellte der Papst in seiner Katechese fest, die sich diesen Mittwoch um den erzieherischen Wert des Gesetzes drehte. „Wir müssen die Gesetze beachten, aber als Hilfe für die Begegnung mit Jesus Christus,“ so Franziskus bei der Generalaudienz in der vatikanischen Audienzhalle.

Silvia Kritzenberger - Vatikanstadt

„Paulus war verliebt in Jesus Christus und hatte verstanden, was Erlösung bedeutet. Er lehrt uns, dass die "Kinder der Verheißung“ - also wir alle, die wir durch Jesus Christus gerechtfertigt sind - nicht mehr unter dem Joch des Gesetzes stehen, sondern gerufen sind, ein Leben zu führen, das sich der Freiheit des Evangeliums verantwortlich weiß,“ leitete der Papst seine Überlegungen zum Galaterbrief des Völkerapostels ein.

Paulus betone, dass es in der Heilsgeschichte zwei Phasen gebe, eine „unter dem Gesetz“ und eine, die durch Tod und Auferstehung Christi eröffnet werde und unter der Leitung des Heiligen Geistes stehe.

„Es ist das erste Mal, dass Paulus diesen Ausdruck gebraucht: "unter dem Gesetz" stehen,“ so Franziskus weiter. „Ein Begriff, der die negative Vorstellung einer Knechtschaft impliziert, wie sie für Sklaven typisch ist. Der Apostel macht dies deutlich, indem er sagt, dass man, wenn man „unter dem Gesetz“ steht, vom Gesetz "behütet", "verwahrt" wird – sich also in einer Art „Schutzhaft“ befindet. Diese Zeit, sagt Paulus, hat lange gedauert - von Mose bis zum Kommen Jesu - und geht weiter, solange man in der Sünde lebt.“

Das Gesetz ist der „Pädagoge“, der uns auf dem Weg zu Jesus begleitet

Dem Gesetz komme in der Heilsgeschichte also die Rolle eines „Pädagogen“ zu, der das Volk der Glaubenden auf ihrem Weg zum „Meister“ begleite und sie bereit mache, ihr Leben Gott anzuvertrauen, illustrierte Franziskus die Funktion des Gesetzes am Beispiel einer Figur im Bildungskonzept der Antike.

„Das Gesetz ist der Pädagoge, der dich wohin führt? Zu Jesus. Im Schulsystem der Antike hatte der Pädagoge nämlich nicht die Funktion, die er heute hat, also die Erziehung eines Jungen oder Mädchens zu begleiten. Damals war der Pädagoge ein Sklave, dessen Aufgabe es war, den Sohn seines Herrn zu seinem Lehrmeister zu begleiten und ihn wieder nach Hause zu bringen. Er musste ihn also vor Gefahren schützen und darauf achten, dass er sich nicht schlecht benahm. Seine Funktion war eher disziplinarischer Art. Wenn der Knabe dann erwachsen wurde, war die Aufgabe des Pädagogen beendet. Der Pädagoge, auf den sich Paulus bezieht, war also kein Lehrer: er war derjenige, der den ihm anvertrauten Knaben zur Schule begleitet und ihn wieder nach Hause gebracht hat.“

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Und genauso habe es sich auch mit der Tora, dem Gesetz, verhalten, das eine normative Seite gehabt habe, das Volk aber auch im Leben unterwiesen und in seiner Schwachheit gestärkt hätte, erklärte Franziskus. Der Apostel sei also davon überzeugt, dass das Gesetz eine positive Funktion habe - die des Pädagogen - , aber diese Funktion sei zeitlich begrenzt, weil sie an den Reifeprozess des Einzelnen und seine Entscheidung für die Freiheit gebunden sei.

„Wenn man den Glauben erlangt, hat das Gesetz seinen erzieherischen Wert verloren und muss einer anderen Autorität Platz machen,“ spann das Kirchenoberhaupt seinen gedanklichen Faden weiter und gab zu bedenken: „Was bedeutet das? Dass wir sagen können: Wir glauben an Jesus Christus und tun, was wir wollen? Nein! Die Gebote sind da, aber sie rechtfertigen uns nicht. Was uns rechtfertigt, ist Jesus Christus. Die Gebote müssen eingehalten werden, aber sie geben uns keine Gerechtigkeit. Die Unentgeltlichkeit Jesu Christi, die Begegnung mit Jesus Christus ist es, die uns unentgeltlich rechtfertigt. Das Verdienst des Glaubens besteht darin, Jesus anzunehmen. Das einzige Verdienst ist es, das Herz zu öffnen. Und was machen wir mit den Geboten? Wir müssen sie beachten, aber als Hilfe für die Begegnung mit Jesus Christus.“

„Lebe ich mit der Hoffnung, der Freude über die Unentgeltlichkeit der Erlösung in Jesus Christus?“


Auch uns tue es gut, uns zu fragen, ob wir das Gesetz als „Pädagogen“ noch brauchen oder schon ganz in der Gnade der Kinder Gottes in Freiheit und Liebe leben, bekräftigte der Papst und gab abschließend folgenden Denkanstoß:

„Wie lebe ich? In der Angst, dass ich in die Hölle komme, wenn ich dieses oder jenes nicht tue? Oder lebe ich auch mit dieser Hoffnung, mit dieser Freude über die Unentgeltlichkeit der Erlösung in Jesus Christus? Das ist eine schöne Frage. Und auch diese zweite Frage: Missachte ich die Gebote? Nein, das tue ich nicht. Ich halte mich an sie, aber nicht als etwas Absolutes, denn ich weiß, dass das, was mich rechtfertigt, Jesus Christus ist.“

(vaticannews – skr)
 

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18. August 2021, 12:03

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