Franziskus mit Narendra Modi  2021 im Vatikan Franziskus mit Narendra Modi 2021 im Vatikan 

Indien: Vor einer neuen Außenpolitik?

Wird Ministerpräsident Narendra Modi angesichts des vergleichsweise schwachen Abschneidens seiner Partei jetzt wieder mehr auf den Hindu-Nationalismus setzen? Der vatikanische Pressedienst Fides kommt in einer Analyse zu dem Schluss, dass das nicht sehr wahrscheinlich sei.

Modi war von Anfang an ein Befürworter des Begriffs „Großindien“ beziehungsweise „Unteilbares Indien“, das die Wiedervereinigung aller geografischen und politischen Teile des Subkontinents - von Pakistan über Bangladesch bis Sri Lanka – vorsieht – wobei nicht klar ist, in welcher Form. Die These von einer Wiederbelebung der nationalistischen Linie kollidiert jedoch mit zwei Fakten, heißt es in der Fides-Analyse.

Erstens habe der gescheiterte Erdrutschsieg in Wirklichkeit nur einen sehr begrenzten Rückgang der auf die Regierungspartei Bharatiya Janata Party (BJP) vereinten Stimmen gebracht, der sich auf etwa ein Prozent belaufe. „Es war also kein Einbruch, und Modis Erwartungen wurden nur aufgrund des Multiplikatoreffekts des indischen Mehrheitswahlsystems enttäuscht.“

Eine im Wesentlichen vorsichtige Außenpolitik

Zweitens hätten die Partei und mit ihr Modi in den letzten zehn Jahren an der Macht „eine im Wesentlichen vorsichtige Außenpolitik“ betrieben. Zwar kam es zwischen 2020 und 2023 zu neuerlichen Spannungen an der Himalaya-Grenze, und die Spannungen mit Pakistan bleiben ungelöst, doch es sei bemerkenswert, dass keine der beiden Krise den „Point of no Return“ überschritten habe.

Fides führt aus, dass Indien sich zwar um eine gute Beziehung zu China bemühe, wozu die Ankunft eines neuen chinesischen Botschafters in Neu-Delhi gehöre („das hat es schon lange nicht mehr gegeben“). Doch sei Modi „ein effektiver Vertreter jenes Südens der Welt, der mit dem zunehmenden Gewicht einer rasch wachsenden Wirtschaft (ohne die Corona-Pandemie läge der Jahresdurchschnitt bei 7,2 Prozent) auf den Westen blickt“, so Fides.

Neutrale Haltung zum Ukraine-Krieg

Selbst die Haltung gegenüber der russischen Invasion in der Ukraine erscheine, wenn man sie nach objektiven Kriterien analysiere, im Wesentlichen „neutral“. Mit dem Kreml habe Indien im Gegenzug für eine Nichtverurteilung vorteilhafte Ölverträge abgeschlossen, die für die Ankurbelung der nationalen Wirtschaft notwendig gewesen seien. „Auf der anderen Seite der Skala stehen die intensiven Kontakte mit den westlichen Mächten“ einschließlich der Mitgliedschaft im „Quadrilateralen Sicherheitsdialog“ (Quad) zwischen Australien, Indien, Japan und vor allem den Vereinigten Staaten.

Die indische Regierung werde auch in den kommenden Jahren außenpolitisch vorsichtig auftreten, so Fides: „vor allem deshalb, weil sie eine stetige und kontrollierte wirtschaftliche Entwicklung sicherstellen muss“. Indien sei nicht nur die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt, sondern mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern auch das bevölkerungsreichste Land der Erde. Das Durchschnittsalter der indischen Bevölkerung liege bei 28 Jahren.

Pragmatismus und geschickte Diplomatie

Das Wachstum der Industrie, der Dienstleistungen, des Finanzwesens und die Verwirklichung der notwendigen Infrastrukturmaßnahmen erforderten Stabilität. Der Premierminister müsse die Transformation des Agrarsektors bewältigen und Arbeitsplätze schaffen. „Die Beschäftigungsrate bei Männern liegt bei 36 Prozent, bei Frauen bei 12 Prozent.“

Bisher sei es der indischen Regierung gelungen, „einen unbestreitbaren Pragmatismus mit einer geschickten diplomatischen Arbeit zu verbinden“. Die Verbindung mit dem Westen, die durch die Vierergruppe repräsentiert werde, habe das Land zum bevorzugten Partner nicht so sehr der USA als vielmehr Japans gemacht. Japan verspreche, die von Modi benötigte Infrastruktur zu bauen.

Fides spricht von einem „Spiel bewundernswerter Balanceakte“. Indien sei „allseitig respektiert“. Denkbar sei allerdings, dass China seine Beziehungen zu Indien „überprüfen“ werde und anfangen könnte, den Nachbarn als Rivalen im indopazifischen Raum zu sehen.

(fides – sk)
 

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13. Juli 2024, 13:05