Ökumene: Päpstlicher Ehrenprimat für andere Kirchen denkbar
In ihrem aktuellen Magazin hat sie Persönlichkeiten aus mehreren Kirchen zu einer Analyse des Dokuments „Der Bischof von Rom“ eingeladen, das der Vatikan im Juni 2024 veröffentlicht hat. Das Dokument wirbt für ein neues Verständnis und eine andere Ausübung des Papstamtes, mit der der Papst künftig von anderen christlichen Kirchen als Ehrenoberhaupt akzeptiert werden könnte.
Der Münchner orthodoxe Theologe Stefanos Athanasiou würdigt das Dokument als Grundlage für weitere Dialoge. „Der Bischof von Rom“ erkenne die ökumenischen Herausforderungen an, die mit dem katholischen Verständnis des Papsttums verbunden sind. Die Spannung liegt für den orthodoxen Theologen dabei weniger bei den künftigen ökumenischen Dialogen zu dieser Thematik, als vielmehr bei den zu führenden Diskussionen innerhalb der einzelnen Kirchen, „wo sicher die größten Herausforderungen zu meistern sein werden“.
Der Theologe spricht damit an, dass innerhalb der Orthodoxie die Stellung des „Protos“ (Ersten), also des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, und seine Rolle für die Weltorthodoxie sehr kontrovers diskutiert wird. Andererseits sehe man auch auf katholischer Seite, wie um das Synodalitätsprinzip heftig gerungen wird. Athanasiou: „Es wird sicher in beiden Kirchen nötig sein, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen, wenn sie den Dialog ernst nehmen. Dabei muss jede Seite wohl auch die entstandenen innerkirchlichen Spannungen in Kauf nehmen.“
Der orthodoxe Theologe hebt drei im Dokument angeführte Prinzipien für den weiteren ökumenischen Dialog hervor: Erstens den „Primat der Ehre“, wenn davon die Rede ist, dass der Bischof von Rom einen Primat ausüben könnte, „der auf Ehre und Dienst beruht, ähnlich wie im ersten Jahrtausend“. Ein weiteres Prinzip als Anknüpfungspunkt für den Dialog: Synodale Entscheidungsprozesse könnten den Primat ergänzen und ein Gegengewicht zur zentralisierten Autorität schaffen. Ein drittes Prinzip sei die Subsidiarität: Entscheidungen sollten so weit wie möglich auf lokaler Ebene getroffen werden, wobei der Primat nur eine vermittelnde und unterstützende Rolle spielt.
Orientalisch-orthodoxe Glaubensgemeinschaft
Die Sicht der orientalisch-orthodoxen Kirchen legt der Salzburger syrisch-orthodoxe Theologe Aho Shemunkasho dar. Er verweist auf die Kirchengemeinschaft der orientalischen Kirchen. Dazu zählen die Syrisch-orthodoxe, Koptisch-orthodoxe, Äthiopisch-orthodoxe, Eritreisch-orthodoxe, Malankarisch-orthodoxe syrische Kirche und die Armenischen-apostolische Kirche. Die Kirchen hätten sich teils unabhängig voneinander entwickelt: „In ihren jeweiligen Sprachen haben sie über Jahrhunderte eigene Theologien, Liturgien und christliche Literatur erarbeitet. Es gab immer wieder starke Kontroversen zwischen ihnen, jedoch pflegten sie stets den Kontakt zueinander und stehen bis dato in voller Kirchengemeinschaft“.
Somit würden diese orientalisch-orthodoxen Kirchen eine "Einheit in Vielfalt" bilden, „ohne Trennung und Spaltung im Glauben“, so Shemunkasho. Sie hätten aber kein gemeinsames Oberhaupt im Sinne eines Papstprimats und auch keinen ökumenischen Patriarchen, wie ihn die orthodoxe Kirche kennt.
Trotz der bewährten Praxis der orientalischen Kirchen kann sich Shemunkasho sogar einen Ehrenprimat für den Bischof von Rom vorstellen, den auch die orientalischen Kirchen anerkennen. Die Römisch-katholische Kirche habe aufgrund ihrer großen globalen Verbreitung eine hohe Verantwortung zu tragen, „die ihr eine besondere Stellung unter den Kirchen verschaffen soll. Die ganze Welt schaut nach Rom, und der Bischof von Rom hat mit seinem Rat und seinen Taten ein besonderes Gewicht auf der Weltbühne“, so der syrisch-orthodoxe Theologe.
„Synodal verwurzeltes Ehrenoberhaupt“
Eine Würdigung des Dokuments „Der Bischof von Rom“ kommt auch von evangelischer Seite. Der deutsche evangelische Ökumene-Experte Pfarrer Martin Bräuer meint wörtlich: „Das Dokument ist ein wichtiger Schritt nach vorne und hat das Potenzial, zu einem Meilenstein hinsichtlich der ökumenischen Bedeutung des Papstamtes zu werden.“
Freilich räumt Bräuer ein, dass das Dokument wohl in erster Linie an die orthodoxen, altorientalischen und die anglikanische Kirche gerichtet sei. Trotzdem sieht Bräuer auch Anknüpfungspunkte für die evangelischen Kirchen. Viele Impulse des Dokuments müssten noch mit konkreten Inhalten gefüllt werden, besonders im Hinblick auf Synodalität. Aber der Bischof von Rom als ein synodal verwurzeltes Ehrenoberhaupt der Christenheit „erscheint als Möglichkeit am Horizont“.
Diesen Schritt könnten auch evangelische Kirchen mitgehen, allerdings müssten aus evangelischer Sicht eine Verengung der Synodalität auf die bischöfliche Ebene vermieden und nicht ordinierte Personen angemessen berücksichtigt werden. Die Zulassung nicht geweihter Personen auch in den römisch-katholischen synodalen Prozessen und die Berücksichtigung der Einbindung des ganzen Volkes Gottes „nährt aber die Hoffnung, dass sich hier kein unüberwindbares Hindernis auftut“, so Bräuer.
Eine aus evangelischer Sicht allerdings nicht mehr zur Disposition stehende Frage sei die der Frauenordination, die mittlerweile fester Bestandteil des Selbstverständnisses vieler, nicht nur protestantischer Kirchen geworden ist, so Bräuer.
(kap – sk)
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